Über die neuen Monitore kontrolliert die Lokführerin, noch jemand in den Türen steht. Wenn alles frei ist, kann sie die Türen per Knopfdruck schließen Foto: Jan Reich

Mit dem Projekt „Jede Sekunde zählt“ will die Bahn die Pünktlichkeit ihrer S-Bahnen verbessern: Ab sofort können Lokführer im Hauptbahnhof die Türen zentral schließen, um Zeit zu sparen.

Stuttgart - Die Deutsche Bahn ringt um Sekunden und führt deswegen ein neues Abfertigungssystem im Hauptbahnhof ein. Im Jahr 2013 waren die S-Bahnen in Stuttgart so unpünktlich wie nie zuvor. Nur etwa drei Viertel der S-Bahnen kamen in der Hauptverkehrszeit rechtzeitig an ihr Ziel. Vereinbart ist aber, dass mehr als 90 Prozent der Züge pünktlich sein müssen. „Wir sind bei der Pünktlichkeit nicht auf dem vertraglichen Niveau“, sagt S-Bahn-Sprecher Hans-Albrecht Krause. Einen Grund für die Verspätungen sieht er darin, dass die Züge zu lange an den einzelnen Haltestellen bleiben. Um das zu ändern, hat die Bahn das Projekt „Jede Sekunde zählt“ ins Leben gerufen.

Den ersten Teil dieses Projektes kann jeder sehen, der in den Hauptverkehrszeiten an der Haltestelle „Hauptbahnhof tief“ eine S-Bahn betritt: Seit Dezember 2013 sind dort S-Bahn-Helfer im Einsatz. Diese Mitarbeiter der Deutschen Bahn sollen, in rote Jacken gekleidet, die Fahrgastströme zwischen 6.30 und 9 Uhr, sowie 15.30 und 18 Uhr so lenken, dass sie sich schnell und gleichmäßig auf den Zug verteilen. Von diesem Sonntag an werden in einem zweiten Schritt die Türen der S-Bahnen zentral geschlossen.

Bisher wurde der Schließmechanismus nur über Lichtschranken hinter den Türen kontrolliert. Hatte der Lokführer die Türen freigegeben, schlossen sich diese automatisch, wenn die Lichtschranken länger als drei Sekunden lang nicht unterbrochen wurden. Wenn ein Reisender mit seinem Koffer oder ein Kind mit seinem Schulranzen die Lichtschranke unterbrach, konnten sich die Türen nicht schließen. Das soll nun verhindert werden: Der Lokführer kann fortan alle Türen per Knopfdruck schließen.

Die Zugtüren dürfen nur dann zentral verschlossen werden, wenn der Lokführer die ganze Bahn überblicken kann. Um ihm das in der S-Bahn-Haltestelle „Hauptbahnhof tief“ zu ermöglichen, hängen dort an vier Stellen Monitore. Der Bahnsteig wird gefilmt, und die Bilder werden direkt an die Monitore übertragen. So kann der Lokführer genau sehen, wann die Türen der Bahn frei sind. Ein weißer Balken signalisiert ihm, dass die Verbindung zu den Kameras funktioniert. Unterläuft ihm, trotz Technik, einmal ein Fehler, sollte das kein Problem sein: Gerät beispielsweise doch eine Hand zwischen die sich schließenden Türen, öffnen sich diese ein Stück weit und geben die Hand wieder frei.

100 000 Euro lässt sich die Bahn die Monitore im Hauptbahnhof kosten. Noch einmal die gleiche Summe hat sie in die Anlagen in der Haltestelle Stadtmitte investiert, wo auch viele Fahrgäste abgefertigt werden müssen. Da dort aber die Sicht durch eine Baustelle versperrt ist, kommt die neue Technik dort noch nicht zum Einsatz.

Richtig auf die Probe gestellt wird das neue Abfertigungsverfahren am Montagmorgen zu den Hauptverkehrszeiten. Zusammen mit den S-Bahn-Helfern erhofft sich Krause deutliche Zeitersparnisse von den neuen Monitoren und dem zentralen Schließen der Türen. Gerade im Hauptbahnhof sei ein reibungsloser Ablauf wichtig, weil dort die Abfahrtszeiten sehr eng getaktet sind. „Wir kämpfen um jede Sekunde, die wir sparen können“, sagt der S-Bahn-Sprecher. Wie viele Sekunden er genau erwartet, kann er nicht abschätzen. Die Ergebnisse des Projektes sollen aber auf dem nächsten S-Bahn-Gipfel vorgestellt werden.

Gegen Verspätungen wegen Weichenfehlern helfe das neue Abfertigungsverfahren jedoch nicht. Um die Pünktlichkeit weiter zu verbessern, seien auch in Zukunft Maßnahmen notwendig. „Wir tun, was wir können“, sagt Krause.