Die Polizei kommt zum Bahnhof – der Zug ist aber weg. Foto: dpa/Christoph Schmidt

Ein Passagier sieht in einer Bahn einen herrenlosen Rucksack und ruft die Polizei. Die will den Zug stoppen. Was dann passiert, lässt den Passagier verwundert zurück.

Stuttgart - Freitagmorgen, 9.18 Uhr, Haltestelle Schwabstraße, die S-Bahn der Linie S 4 startet nach Marbach. Der Zug ist noch leer. Aber nicht ganz. Denn ein Passagier ist bereits an Bord. Und ein Rucksack – aber ohne Besitzer. Das kommt dem 41-jährigen Ludwigsburger Stefan Böpple (Name geändert) seltsam vor. Und nachdem er schon viele Berichte über Polizeieinsätze wegen herrenloser Gepäckstücke in der Zeitung gelesen hat, die aufgrund einer potenziellen Gefahr von Sprengstoffexperten untersucht wurden, greift er zum Handy. „Ich habe die im Zug angeschlagene Nummer der Bundespolizei gewählt“, berichtet er. Er habe den Beamten den dicken grünen Rucksack beschrieben und die Bahn, in der er saß, durchgegeben.

Böpple wird verbunden, und die Stuttgarter Bundespolizei sichert ihm zwei Haltestellen später an der Station Stadtmitte zu, die Bahn am Hauptbahnhof zu stoppen und sich um den Rucksack zu kümmern. Der 41-Jährige ist zunächst beruhigt, lehnt sich zurück und macht sich auf einen längeren Stopp am Hauptbahnhof gefasst. Dort angekommen, kommt aber alles anders: „Der Zug hat regulär angehalten, dann gingen die Türen wieder zu und die Bahn fuhr weiter – mit dem herrenlosen Rucksack“, sagt er. Und fügt – merklich enttäuscht – hinzu: „Also professionelle Terrorabwehr habe ich mir anders vorgestellt.“ In Ludwigsburg steigt er aus – und der Rucksack fährt weiter nach Marbach. Passiert ist glücklicherweise nichts.

Die Bundespolizei kommt zum Bahnhof – der Zug ist weg

Die Bundespolizei kann den aufmerksamen Zeugen in einem Punkt beruhigen: Sie habe den Hinweis ernst genommen und sei zum Hauptbahnhof gefahren. Nur eines sei schiefgegangen, das hat auch der Zeuge Stefan Böpple bei einem Rückruf erfahren, den er auf Höhe von Kornwestheim erhielt: Die Bundespolizei und die Bahn haben im Hauptbahnhof die falsche S-Bahn angehalten und darin nach dem Rucksack gesucht. Der Polizeisprecher Sebastian Maus kann den genauen Grund nicht rekonstruieren. „Wir müssen davon ausgehen, dass es irgendwo zu einem Verständigungsfehler kam“, sagt er. Entweder habe man die falsche Zeit oder die falsche Linie durchgegeben. An welcher Stelle in der Kommunikation zwischen der Bundespolizei und der Bahn, die den Zug anhalten muss, der Fehler passiert sei, das wäre nicht mehr herauszufinden. Aber der Fall sei dennoch weiterverfolgt worden: In Marbach sei eine Streife in die Bahn gestiegen und habe den Rucksack gesucht. Doch was genau darin war, das wird wohl ewig ein Rätsel sein: Der mysteriöse dicke grüne Rucksack von der Schwabstraße war nicht mehr da. Es bleibt ein Trost: Passiert ist unterwegs nichts.

Die Bundespolizei rät Passagieren und Fahrgästen, bei verdächtigen Gegenständen die Notrufnummer 110 zu wählen. Dann werde die zuständige Dienststelle – im Bereich der Bahn die Bundespolizei – verständigt. „Die Kollegen haben dann ihre Kriterien, anhand derer sie feststellen können, ob das Gepäckstück unter Umständen gefährlich sein könnte“, erläutert Sebastian Maus. Das seien etwa die Größe und das Gewicht des Koffers oder Rucksacks. Wenn sie den Verdacht haben, dass es sich um einen Sprengsatz handeln könnte, würden Experten hinzugezogen, um den Koffer zu inspizieren und im Zweifelsfall unschädlich zu machen.