Ruth Schmidt ist früher oft nach England, Irland und Amerika gereist. Foto: KS-Images.de

Ruth Schmidt feiert am Sonntag ihren 100. Geburtstag. Sie blickt auf ein glückliches Leben zurück.

Marbach - Eigentlich wollte Ruth Schmidt nie den Lehrerberuf ergreifen, „aber dann war ich mein ganzes Leben lang eine eifrige Lehrerin“. Und auch mit der Schillerstadt hatte die Seniorin schon in jüngeren Jahren abgeschlossen, „und heute bin ich quasi eine Stadtpatriotin“. Es kann viel passieren in 100 Jahren. Und genau diesen besonderen Geburtstag kann Ruth Schmidt am Sonntag feiern – und zwar nicht etwa im Pflegeheim, sondern noch immer in ihrem eigenen Haus. Das hat Ruth Schmid 1957 selbst gebaut. Doch bis dahin lag schon ein bewegter Weg hinter der Pädagogin.

Geboren wurde Ruth Schmidt 1920 in Stuttgart. Der erste Schicksalsschlag für die Familie kam früh, erinnert sie sich: „Mein Vater ist gestorben, als ich neun Jahre alt war.“ Das Haus der Familie wurde von einer Bombe zerschmettert. Die Mutter musste mit ihr alleine neu starten: „Wir waren plötzlich ohne Heimat und zogen von Wohnung zu Wohnung.“ Das Geld war knapp, die meisten Ausbildungen waren nach ihrem Abitur unerschwinglich für sie – außer eben die zur Lehrerin: „Das war damals nicht mein Ideal, aber ich bin bis heute glücklich mit meinem Beruf.“ Die Ausbildung führte sie nach Esslingen, was sie aber als „Nazihochburg“ empfunden hat. Ein Regime, dem sie immer wieder kritisch gegenübergetreten ist. „Ich hatte aber glücklicherweise einen Mentor, der mir gezeigt hat, dass Lehre eine Kunst ist.“ Mit „Ach und Krach“ und der Note 1 habe sie dann die Ausbildung hinter sich gebracht: „Das hat alle Tore geöffnet.“

Durchschritten hat sie schließlich jene der Bildungsanstalt in Schwäbisch Hall, wo sie direkt für acht Jahre blieb und sich „wie zuhause“ fühlte. Doch dann kam ihr die Politik in die Quere: „Ich habe mich geweigert, Parteimitglied der NSDAP zu werden und stattdessen Ade gesagt.“ Und dann kamen auch schon die Kriegswirren.

Unterricht gab es nur sporadisch. Als dieser nach Kriegsende wieder startete, ging Ruth Schmidt nach Besigheim. Und wieder machte die Politik ihr Probleme: „Ich war Jungmädchenführerin in meiner Schulzeit. Das war mein letzter Kontakt mit dem Dritten Reich.“ Dennoch habe sie ihre Koffer nehmen müssen. Die trug sie wieder nach Esslingen, wo sie auf den Tisch schlug, „weil ich die ganze Zeit auch akademischen Unterricht gegeben habe, aber nur Volksschulgehalt bekam“. Die Folge? Sie ging nach Tübingen, wo sie mit Erfolg Deutsch, Englisch, Geschichte und Philosophie studierte.

Ihre nächste Station sollte dann auch die letzte in ihrem Berufsleben sein. Dem Goethe-Gymnasium in Ludwigsburg blieb sie 30 Jahre lang treu. Ein Herzensprojekt dort war der England-Austausch. Und nun, da sie beruflich sesshaft geworden war, fehlte nur noch ein eigenes Häuschen. Das entstand dann auf einem Baugrundstück und dank Darlehen von guten Freunden in Marbach: „Und hier bin ich bis heute.“ Auch wenn sie nie verheiratet war, sei sie nie alleine gewesen. Großmutter, Mutter und Tante hatten bei ihr gelebt. Heute kümmert sich ein Mieter, der zum Freund wurde, um Ruth Schmidt. Zur Feier am Sonntag kommen ehemalige Schüler sie besuchen: „Ich wohne mit 100 Jahren noch zuhause und habe Freunde, die mir gerne helfen. Merken Sie, was für ein glückliches Leben ich hatte?“