Italiens Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini beteuert, kein Geld aus Russland bekommen zu haben. Foto: AP

Hat die rechte Lega in Italien Wahlkampfhilfe aus Russland erhalten? Innenminister Salvini bestreitet das – und will sich bald vor dem Parlament erklären. Doch die Spenden-Affäre ist nicht der einzige Streitpunkt, der die Koalition mit der Fünf-Sterne-Bewegung wackeln lässt.

Rom - Matteo Salvini wird gerne als der Donald Trump Europas bezeichnet: Wie der US-Präsident mobilisiert der italienische Innenminister seine Anhänger hauptsächlich über die sozialen Medien, trifft genau den Ton seiner Wählerschaft und lässt kein gutes Haar an ihm kritisch gesinnten Journalisten. Und nun hat Salvini auch noch seinen eigenen Russland-Skandal am Hals: Es laufen Ermittlungen, in denen festgestellt werden soll, ob und wie im Vorfeld der Europawahl finanzielle Wahlkampfhilfen aus Russland an die rechte Lega geflossen sind. Es wäre nur ein weiterer Punkt der den Koalitionspartner, die Fünf-Sterne-Bewegung, in die Bredouille bringt. Ohnehin vergeht kein Tag ohne Streit und Zankerei in Roms Regierungskoalition.

Dieser Mittwoch wird in den italienischen Medien daher bereits als „Mercoledì di fuoco“, der Mittwoch des Feuers, bezeichnet. Zunächst will Premierminister Giuseppe Conte im italienischen Senat zu den Russland-Ermittlungen gegen seinen Vizepremier Salvini Stellung nehmen, danach könnte auch der Lega-Chef selbst – er ist Abgeordneter des Senates – in der Kammer das Wort ergreifen.

Die Idee: Ein Erdöl-Deal soll Parteispenden verschleiern

Bislang ist der Innenminister bemüht, die Geschichte als Märchen darzustellen, doch die Faktenlage spricht eher für einen Polit-Krimi: Über Erdöl-Verkäufe Russlands an den italienischen Energiekonzern Eni sollte anscheinend möglichst unauffällig Geld an die Lega fließen. Von 65 Millionen US-Dollar ist die Rede, die als kleiner Prozentsatz aus einem Milliardendeal auf Umwegen für die Partei abfallen sollten. Das geht zumindest aus einem Gespräch hervor, das am 18. Oktober vergangenen Jahres in der Bar des Metropol Hotel in Moskau zwischen drei Italienern und drei Russen stattgefunden hat. Mit von der Partie war auch Gianluca Savoini, der einst als Sprecher Salvinis arbeitete und heute über seinen 2014 gegründeten Verein Lombardei-Russland eine wichtige Rolle in der Vernetzung der Lega mit Russland zu spielen scheint. Dem US-amerikanischen Nachrichtenportal Buzzfeed liegt eine Tonaufnahme dieses Treffens vor, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde und der Geschichte eine neue Brisanz verleiht.

Bereits im Februar hatte das Politmagazin „L’Espresso“ über das Treffen im Hotel Metropol in Moskau berichtet. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft Mailand Ermittlungen wegen internationaler Korruption gegen die italienischen Teilnehmer des Treffens ein. Gegen Salvini wird nicht ermittelt. Der Innenminister, der zeitgleich zu dem Treffen ebenfalls in Moskau war, beteuert, von der Sache nichts zu wissen. Was Savoini in Moskau getan habe, wisse er nicht, so die Aussage Salvinis. „Ich habe es schon in der Vergangenheit gesagt, ich werde es auch heute, morgen und übermorgen tun: Ich habe nie einen Rubel, einen Euro, einen Dollar oder einen Liter Wodka von Russland genommen“, erklärt der Lega-Chef unermüdlich. Savoini habe, wenn überhaupt dann eigenständig gehandelt. Ein römischer Wirtschaftsanwalt, der sich vor kurzem freiwillig meldete und seine Teilnahme an dem Treffen bestätigte, erklärte, es sei über nichts Illegales gesprochen worden und die Verhandlungen seien nie zum Abschluss gekommen.

Weiterer Streitpunkt: Die lang erwartete Autonomie-Reform

So also der aktuelle Stand. Bislang hat Ministerpräsident Giuseppe Conte seinem Vize das Vertrauen ausgesprochen. Der parteilose Rechtsprofessor betont aber auch, dass die Justiz den Vorwürfen nachgehen müsse. Die Opposition und auch Teile der Fünf-Sterne-Bewegung fordern Salvini auf, selbst vor dem Parlament Stellung zu nehmen. Er werde das zu gegebener Zeit tun, erwidert der nur. Ob dies bereits am heutigen Mittwoch der Fall sein wird, wird sich zeigen.

Sollte der Mittwoch des Feuers noch glimpflich ausgehen, steht allerdings schon der Donnerstag der Feuersbrunst vor der Tür: Für diesen Tag ist eine weitere Sitzung des Ministerrats geplant, in der die lang erwartete Autonomie-Reform zum Abschluss gebracht werden soll. Noch so ein heißes Eisen, welches in den vergangenen Wochen zu erheblichen Spannungen zwischen Lega, der Fünf-Sterne-Bewegung und Conte geführt hatte. Die Lega befürwortet die Forderungen nach „differenzierter Autonomie“, die von den norditalienischen Regionen Lombardei, Venetien und Emilia-Romana erhoben wird. Sie fordern in Bereichen wie Gesundheit, Umweltschutz, Verkehr oder Infrastruktur mehr Finanzhoheit. Luigi Di Maio, der Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, befürchtet, dass mehr Autonomie für den Norden die Wohlstands-Schere zum Süden nur noch weiter aufgehen lässt. Und im Süden sitzen die meisten Wähler seiner Bewegung. Die Autonomie-Reform ist aber auch Teil des Koalitionsvertrages und die Lega erhöht den Druck auf den Partner immer weiter: „Wir akzeptieren in puncto Autonomie kein „Nein“ mehr. Wir haben schon zu lange gewartet“, so Salvini.

Auch wenn von allen Seiten der Regierung immer wieder betont wird, man werde gemeinsam voranschreiten, fragen sich die Italiener doch, wie weit es mit den Streitereien noch gehen kann, bevor es richtig kracht. Bricht die Regierung also doch noch vor dem Sommer auseinander? Wird es vor den wichtigen Haushaltsverhandlungen, die im Herbst anstehen und wohl erneut in heftigen Auseinandersetzungen mit Brüssel enden werden, doch noch Neuwahlen geben? Italien steht auf jeden Fall ein heißer Sommer bevor.