Einst weltbekannt: Die Wälder der Karpaten sind nur noch ein Schatten ihrer selbst. Foto: AFP/Daniel Mihailescu

Die Holzmafia geht in Rumänien bei illegalen Abholzungen auch über Leichen: Nach Angaben der Polizei ist dort ein Familienvater mit dem eigenen Jagdgewehr erschossen worden.

Targu Lupes - Vor seinem letzten Gang in den Wald küsste Liviu Pop noch einmal seine Frau und drei Kinder. Doch nach Hause kehrte der Förster aus der nordrumänischen Landgemeinde Targu Lupes nie zurück. Ein Kollege fand den leblosen, offenbar schwer misshandelten Körper des 30-Jährigen am vergangenen Mittwoch auf einem Felsvorsprung: Nach Angaben der Polizei war der Familienvater mit dem eigenen Jagdgewehr erschossen und in eine Schlucht geworfen worden.

Zum Opfer von Holzdieben war Mitte September auch der Förster Raducu Gorcioaia aus der ostrumänischen Provinzstadt Pascani geworden. Von diesem auf frischer Tat beim illegalen Holzfällen ertappt, hatte ein 17-jähriger Holzräuber dem 50-Jährigen seine Axt viermal in den Schädel geschlagen. Einzelfälle sind die Morde keineswegs: Rumäniens Holzmafia geht beim illegalen Einschlag immer brutaler vor.

Mehr als 650 Attacken registrierte die Forstgewerkschaft in den vergangenen fünf Jahren

Die Föderation der rumänischen Forstgewerkschaften hat in den vergangenen fünf Jahren mehr als 650 gewalttätige Attacken gegen Förster, Forstingenieure und Waldarbeiter registriert. Sechs Waldhüter wurden ermordet, Dutzende mit Hieb-, Stich- oder Schussverletzungen zum Teil schwer verletzt in die Krankenhäuser eingeliefert. Nur Förster, die auch Jäger seien, hätten das Recht, mit ihrer eigenen Flinte in die Wälder zu ziehen, sagt Gewerkschaftschef Silviu Genea und fordert einen besseren Schutz und das Waffenrecht für die Förster: „Die Förster haben Gas- und Gummiballpistolen, die nicht einmal streunende Hunde erschrecken können – geschweige denn die in Banden organisierten Holzdiebe.“

Gewalt erzeuge nur neue Gewalt, sagen dagegen heimische Umweltschutzverbände, die in der Bewaffnung der Förster keine Lösung sehen: Sie fordern stattdessen eine effektive Bekämpfung des illegalen Einschlags wie die Satellitenüberwachung der Wälder, mit elektronischen Registern ausgestattete Holzlager, die GPS-Pflicht bei Holztransporten und die Kameraüberwachung von Überlandstraßen.

Einst war Rumänien bekannt für seine Wälder, doch die werden nach und nach abgeholzt

Tatsächlich schreitet die Entwaldung des einst für seine dichten Urwälder bekannten Karpatenstaats immer schneller voran. Laut Greenpeace Romania wurden alleine 2017 12 487 Fälle illegalen Holzeinschlags registriert – 32 Prozent mehr als im Jahr zuvor: Rumäniens bewaldete Fläche liege mit nur noch 27,5 Prozent mittlerweile selbst unter dem EU-Durchschnitt von 33 Prozent. Allein 2018 seien in der Region Maramures, der Heimat des ermordeten Försters Liviu Pop, über 90 000 Kubikmeter Holz illegal abgeholzt worden – und das sei „nur die Spitze des Eisbergs“, betont die Aktionsgruppe Forest Walk.

Derartige Holzmengen können nicht mit dem Pferdekarren aus dem Wald gebracht werden: „Dafür sind Maschinen, Infrastruktur und die Komplizenschaft der Behörden nötig.“ Die bisherigen Maßnahmen gegen den Raubbau zeigten keine Wirkung: „Der Tod der Förster ist ein eklatantes Zeichen, dass das Verbrechen in den Wäldern auf dem Vormarsch ist.“

Die Ermittlungen gegen die Mörder enden mit ihrer Freilassung

Tatsächlich werfen zumindest die laxen Ermittlungen gegen die Mörder von Förster Pop die Frage auf, in welchem Maß Rumäniens Justiz in die Machenschaften der Holzmafia involviert ist. Zwar konnte die Polizei drei Beschäftigte eines Holzhandels als Tatverdächtige ermitteln. Doch nachdem diese erklärten, dass sich der Förster durch einen sich versehentlich lösenden Schuss selbst getötet habe und danach wegen der scheu gewordenen Pferde vom Holzwagen überrollt worden sei, wurden sie überraschend wieder auf freien Fuß gesetzt. Medienberichten zufolge soll einer der Verdächtigen der Neffe des Staatsanwalts von Targu Lupes sein.