Freude beim neuen und alten Rugby-Weltmeister Neuseeland. Foto:  

Neuseelands Rugby-Team lässt den Wallabies aus Australien beim 34:17 im WM-Finale keine Chance . Das Endspiel im Londoner Stadtteil Twickenham war dabei ziemlich fair.

Christchurch/London - Die Gegend in Süd-Canterbury, aus der All-Blacks-Kapitän Richie McCaw stammt, ist Wallaby-Land. Weil die 1870 aus Australien eingeführten kleinen Kängurus jedoch überhandgenommen haben, werden sie in den Hunters Hills gejagt und abgeschossen. Ähnlich brutal geht es im Rugby natürlich nicht zu, auch wenn Neuseeland und Australien erbitterte Rivalen sind. Aber ersatzweise wählten die All Blacks für ihren Haka, den rituellen Tanz der Maori, vor dem WM-Finale in England den aggressiven Kapa O Pango, und einige Spieler machten die an den Gegner gerichtete Geste des Hals-Durchschneidens. Das sah nach Kriegserklärung aus.

Daran gemessen war das Endspiel im Londoner Stadtteil Twickenham ziemlich fair. Doch es endete wie die Beuteltier-Jagd am Ufer des Waitaki River. Neuseelands All Blacks behielten mit 34:17 (16:3) die Oberhand über Australiens Wallabies und setzten sich ein Denkmal in Form zweier Rekorde: Als erste Mannschaft verteidigten sie ihren Titel erfolgreich und wurden bei der achten WM-Auflage zum dritten Mal Weltmeister.

Nummer sieben im Getümmel

McCaw war von der Stimmung nach dem Triumph derart infiziert, dass er die allseits erwartete Rücktrittserklärung nicht abgab; das hatten seine Kollegen Dan Carter, Ma’a Nonu, Conrad Smith, Keven Mealamu und Tony Woodcock bereits vor der WM getan. „Ich werde darüber nachdenken, wenn wir wieder zu Hause sind“, sagte der 34-jährige Dritte-Reihe-Stürmer, „ich kann mir nicht vorstellen, dass ich je davon genugbekommen kann.“ Trainer Steve Hansen war sichtlich überrascht von diesen Worten. „Eigentlich sollte ein Flanker gar keine 148 Spiele auf dieser Position machen, auf der man so sehr die Knochen hinhalten muss“, sagte er. Die Nummer sieben stürzt sich in jedes Getümmel, 148 Einsätze sind Weltrekord.

McCaws Pendant auf der australischen Seite, David Pocock, leitete nach einer Gelben Karte gegen All-Blacks-Schlussmann Ben Smith (Zehn-Minuten-Platzverweis wegen gefährlichen Tacklings) mit seinem Try (54.) eine Phase der Hoffnung für die Wallabies ein, die nach einem weiteren Try durch Tevita Kuridrani (64.) sogar auf 17:21 herankamen. Doch dann versetzte ihnen der unwiderstehliche Daniel Carter den Todesstoß. Der Spielmacher der All Blacks, der mit Dynamik, Übersicht, Angriffslust, unbändigem Siegeswillen und 19 Punkten brillierte wie in besten Tagen, beförderte zunächst einen Dropkick aus 40 Metern (24:17/70.) und danach noch einen Strafkick aus 51 Metern (75.) zum vorentscheidenden 27:17 (75.) über die Querstange. Der Schlussakt eine Minute vor dem Ende der 80 Minuten hätte nicht besser inszeniert sein können: Beauden Barrett, Carters Stellvertreter und Nachfolger als Spielmacher, jagte mit einer Selbstvorlage über den halben Platz und legte den Ball hinter der Endlinie ab. Carter verwandelte den Bonuskick (Erhöhung) mit seinem rechten Standbein. Es war die spektakuläre Symbiose von Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit der All Blacks, bei denen mit Blick auf die nächste WM 2019 in Japan ein Neuaufbau beginnt.

Junge Überflieger mit Akzenten

Angesichts des unerschöpflichen Nachschubs im Land der Kiwis muss Trainer Hansen davor nicht bange sein. Schon jetzt musste er einige Topspieler zu Hause lassen; die Bank ist besser besetzt als bei der Konkurrenz. Einige junge Überflieger wie Julian Savea (25) und Nehe Milner-Skudder (24) haben bereits bei diesem Championat spektakuläre Akzente gesetzt. „Die All Blacks waren die beste Mannschaft des ganzen Turniers“, sagte Kapitän Stephen Moore, und Trainer Michael Cheika, der die Australier nach Streit- und Chaos-Jahren wieder auf Kurs gebracht hatte, meinte: „Wir wollten sie herausfordern, aber es hat nicht gereicht. Sie waren das beste Team seit der WM 2011.“