Der Cayenne mit Sechszylinder-Dieselmotor muss nachgebessert werden. Foto: Cayenne

Die Probleme mit illegalen Abschalteinrichtungen in den von Audi gelieferten Motoren nehmen zu. Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück fühlt sich betrogen.

Stuttgart - Am 29. August plant Porsche eine große Feier. Im Museum des Sportwagenherstellers in Zuffenhausen soll die dritte Generation des Geländewagens Cayenne enthüllt werden. Seit diesem Donnerstag steht die Weltpremiere des Cayenne indes nicht gerade unter einem guten Stern, weil ausgerechnet dieses Erfolgsmodell für negative Schlagzeilen sorgt. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat einen Verkaufsstopp für den aktuellen Cayenne mit Drei-Liter-Dieselmotor verhängt, weil in der Motorsteuerung eine illegale Abschalteinrichtung eingebaut sein soll. Der Stuttgarter Autobauer wird damit noch tiefer in den Sumpf von Dieselgate gezogen.

Die kriminellen Machenschaften beim Cayenne, dessen Motor Porsche von Audi bezieht, dürften auch in der Stuttgarter Neckarstraße aufmerksam registriert werden, wo die Staatsanwaltschaft vor gut einem Monat ein Ermittlungsverfahren „im Zusammenhang mit einer möglichen Manipulation der Abgasnachbehandlung an Diesel-Pkw der Porsche AG“ aufgenommen hat. Bisher richtet es sich gegen „unbekannte Mitarbeiter des Automobilherstellers“. Der Verdacht: Betrug und strafbare Werbung. Wie sich die Enthüllung illegaler Abschalteinrichtungen beim Cayenne auf diese Ermittlungen auswirken werden, bleibt abzuwarten. Die Staatsanwaltschaft hält sich bedeckt. „Wir stehen in engem Kontakt mit dem Kraftfahrt-Bundesamt“, sagt eine Sprecherin lediglich.

Erst im Herbst startet der Rückruf beim Cayenne

Die Behörde hat im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums die Motorsteuerung des Cayenne unter die Lupe nehmen lassen. Am Freitag erhielt Porsche den offiziellen Bescheid. In Abstimmung mit der Flensburger Behörde will der Autobauer nun europaweit rund 21 500 Cayenne der Baujahre 2014 bis 2017 zurückrufen, davon 6000 in Deutschland. Der Werkstattbesuch soll rund eine Stunde in Anspruch nehmen. Zunächst einmal muss jedoch das Kraftfahrt-Bundesamt grünes Licht für das vorgeschlagene Software-Update geben, mit dem die unzulässige Abschalteinrichtung beseitigt wird, die dafür sorgt, dass der Dieselmotor auf der Straße viel mehr giftiges Stickoxid ausstößt als auf dem Prüfstand. Deshalb kann der Rückruf voraussichtlich erst im Herbst starten.

Porsche weist darauf hin, dass der Sportwagenbauer selbst bei internen Untersuchungen die manipulierte Motorsteuerung entdeckt und das Kraftfahrt-Bundesamt informiert habe. Dennoch fragt man sich, warum die Zuffenhausener nicht früher misstrauisch wurden: Bereits im November 2015 war in den USA aufgeflogen, dass von Audi entwickelte Drei-Liter-Motoren, die auch in den Porsche Cayenne und den VW Touareg eingebaut werden, eine Betrugs-Software enthalten. Damit wurden US-Behörden bei der Zulassung getäuscht und Käufern des Geländewagens eine saubere Technik vorgegaukelt.

Porsche-Chef Blume hat Audi vertraut

Als Porsche-Chef Oliver Blume im vorigen Jahr in der Bilanzpressekonferenz gefragt wurde, ob die Stuttgarter denn nicht kontrolliert hätten, was Audi geliefert habe, wies er darauf hin, dass man den Ingolstädtern vertraut habe und ja nicht alles nachprüfen könne. Aber wie kann es sein, dass auch heute noch Schummel-Software in Porsche-Modellen entdeckt wird? Hat man keine Konsequenzen aus den Erfahrungen in den USA gezogen? „Es handelt sich hier um zwei grundsätzlich verschiedene Fahrzeuge“, lässt Blume ausrichten, nämlich nach US-Spezifikation und nach EU-Spezifikation. Insofern seien die Vorgänge nicht vergleichbar.

In den USA wurde nach langen Verhandlungen in diesem Frühjahr ein Vergleich für die Drei-Liter-Autos von VW, Audi und Porsche geschlossen. Damit konnten Klagen abgewendet werden. Der Rückruf der betroffenen 13 000 Cayenne hat indes bis heute nicht begonnen, wie ein Sprecher einräumt. Man habe mit den Behörden „eine Terminschiene“ vereinbart und warte noch auf eine Entscheidung für den Beginn der Nachbesserung. Der Verkauf des Diesel-Cayenne auf dem US-Markt ist eingestellt worden.

Porsche betont die enge Zusammenarbeit mit Audi

Auf Druck von Verkehrsminister Dobrindt läuft derweil ein als „freiwillig“ deklarierter Rückruf beim Cayenne-Schwestermodell Macan mit einem Drei-Liter-Motor von Audi, bei dem das Kraftfahrt-Bundesamt auffällige Abgaswerte festgestellt hatte. In Deutschland sind nach Angaben eines Porsche-Sprechers bisher weit mehr als 80 Prozent der betroffenen Macan-Diesel nachgerüstet worden. Muss man noch mit weiteren unliebsamen Überraschungen rechnen? Auch im Panamera sind Dieselmotoren von Audi. Das Unternehmen will seine Untersuchungen fortsetzen und versichert: „Wir nehmen jeden Hinweis ernst und prüfen sorgfältig.“

Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück sieht diese zunehmende Verstrickung in den Abgasskandal mit Sorge. „Wir fühlen uns von Audi betrogen“, wetterte Hück noch vor Bekanntwerden der jüngsten Hiobsbotschaft in einem Interview und forderte den Austausch des Vorstands. Am Freitag zeichnete sich nun ab, dass Audi-Chef Rupert Stadler zwar vorerst bleiben kann, demnächst jedoch der halbe Vorstand ausgewechselt wird. Kann angesichts dieser Spannungen die vor von Porsche und Audi beschlossene gemeinsame Entwicklung von Elektroautos ein Erfolg werden? Hück war am Freitag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Das Unternehmen will nichts von einer Verstimmung wissen. „Wir pflegen eine sehr gute Zusammenarbeit mit Audi, sie ist enger als je zuvor“, lässt Vorstandschef Blume mitteilen.