Eine richtige Königin: die Queen anno 1965 in Marbach Foto:  

Gerlingen empfängt eine Art König aus einem fast unbekannten Land. Das hat ungeahnte Vorzüge. Man muss sich nur an den Besuch von Juan Carlos erinnern.

Gerlingen - Dass der Besuch eines Königs eine wahnsinnig aufreibende Sache sein kann, weiß jeder, der mal eine Hoheit eingeladen hat. Erst mal muss man froh sein, wenn der Gast der Einladung überhaupt Folge leistet. Und dann muss alles ganz genau geplant, gepflegt und gesichert sein. Und wehe, etwas läuft schief. Dann ist aber Feuer unterm Dach. Es sei denn, der Gastgeber heißt Gerlingen und der König kommt aus Kroboland.

Der König ist im Hauptberuf Professor

Natürlich rüstet sich auch das Städtchen im Strohgäu für seinen Gast. Der Jugendchor der Petrusgemeinde übt seit Wochen für sein Konzert an diesem Freitag. Dass die Benefiz-Veranstaltung ohnehin geplant war, hat die Sache enorm erleichtert. Der grüne Landtagsabgeordnete Markus Rösler, der aus Gerlingen stammt, hat einen Besuch des Königs im Landtag organisiert, inklusive Empfang bei dessen Präsidentin Muhterem Aras. Und am Samstag steht quasi ein Bad in der Menge auf dem Programm: König Nene Sakite II. besucht das Open-Air-Konzert des Musikvereins beim Rathausplatz.

Alles in allem, kann man festhalten, scheint der Besuch relativ unkompliziert und ohne viel Sicherheitsvorkehrungen abzulaufen. Und, auch das ungewöhnlich für königliche Aufenthalte im Ausland: Nene Sakite II. bleibt ganze vier Tage in Gerlingen, und in seinem Gefolge befinden sich lediglich drei Begleiter. Diese angenehme Unaufgeregtheit könnte damit zu tun haben, dass Nene Sakite II. kein richtiger König ist, was wiederum daran liegt, dass Kroboland kein richtiges Land ist, sondern lediglich ein Bezirk im westafrikanischen Ghana. In seinem Hauptberuf ist Nene Sakite II. Professor für Volkswirtschaftslehre in Boston, sein 20 000 Köpfe zählendes Volk im Osten Ghanas regiert er aus der Ferne.

Königin Sylvia wird abgeschottet

Doch was soll’s: Wer kann schon behaupten, so einen engen Draht zu einem König zu haben? Marbach schon mal nicht, das ist klar: Der Besuch der damals blutjungen Queen Elizabeth II. im Mai 1965 ist zwar in bester Erinnerung geblieben. Doch letztlich war ihre Visite nur ein Abstecher während ihres Aufenthalts in Stuttgart. Inklusive der Besichtigung des Schillerschen Geburtshauses dauerte der Besuch gerade mal eine Stunde. Und ob in Ludwigsburg noch bekannt ist, dass im Herbst 1992 Sultan Azlan Shah aus Malaysia zu Gast war, darf bezweifelt werden. Er war ja nur zum Abendessen im Residenzschloss da – auf Einladung des damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU). Als sich im Herbst 2001 Schwedens König Sylvia ebenfalls im Residenzschloss einfand, wurde sie zwar von herausgeputzten Zaungästen sehnsüchtig erwartet, die von Daimler-Chrysler organisierte Benefizgala mit 160 handverlesenen Gästen war allerdings „absolut geschlossen“, die Königin öffentlich also auch nicht zu sehen.

Mit zwölf Maybachs zum Schöckinger Schloss

Unvergessen hingegen der Auftritt des spanischen Königs Juan Carlos 2006 in Ditzingen. Zum einen, weil er zum Schloss in Schöckingen mit einer Flotte von zwölf Maybachs anreiste. Zum zweiten, weil der Gastgeber, der Architekt Manfred Osterwald, danach im Verdacht stand, das 100 000 Euro teure Galadinner nicht korrekt finanziert zu haben. Da weiß man doch gleich umso mehr zu schätzen, wenn der niederländische König Willem-Alexander vor einer Besichtigung bei Trumpf entspannt aus einer Limousine steigt und sekundenlang freundlich in Kameras lächelt. So geschehen im Sommer 2013.

Oder wenn man es eben mit einem so genannten König aus dem unbekannten Kroboland zu tun hat. Gerlingens Verbindung dorthin rührt übrigens aus der Zeit der Missionare: 1859 tauchte der Gerlinger Johannes Zimmermann in Kroboland auf und machte die Menschen mit dem Wort Gottes sowie dem Ackerbau vertraut. Die Zimmermann-Gedenkmünze, die Gerlingen 2007 fertigen ließ, geht auf einen Wunsch Nene Sakite II. zurück.

Am Sonntag verlässt der hohe Besuch Gerlingen wieder. Bis dahin logiert er, wie es sich gehört, im Hotel Krone.

(*) Anmerkung der Redaktion: Das wegen des Verdachts des Betrugs vor dem Amtsgericht Ludwigsburg eröffnete Verfahren wurde wegen geringer Schuld gegen Auflagen nach § 153a StPO eingestellt.