Am Wahltag Konkurrenten, inzwischen etwas weniger: Mike Mohring (links) und Bodo Ramelow Foto: dpa/Martin Schutt

Die punktuelle Unterstützung von Rot-Rot-Grün in Erfurt missfällt der Bundespartei – vorerst aber arrangiert sie sich.

Berlin - Lange hat sich gar nichts getan, nun kommt knapp drei Monate nach der Landtagswahl zumindest Bewegung in die Thüringer Regierungsbildung. So hat nach Informationen unserer Zeitung am Montag ein Gespräch zwischen dem CDU-Landeschef Mike Mohring und Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linkspartei stattgefunden. Dabei ging es um die punktuelle Unterstützung einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung, die am Freitag ihren Koalitionsvertrag der Öffentlichkeit vorgestellt hatte und am Montag leidenschaftlich über die Ministerienverteilung gestritten hat. Dass über das Gespräch zwischen Ramelow und Mohring indes so gut wie nichts nach draußen drang, wurde in Erfurt als Zeichen für einen konstruktiven Verkauf gewertet.

In Thüringen laufen die Dinge anders, da die Wähler den Parteien eine kaum auflösbare Gemengelage hinterlassen haben: Keine der klassischen Koalitionen kommt auf eine Mehrheit. Mehr als die Hälfte der Abgeordneten brächten nur Kombinationen zusammen, die mindestens einer der potenziell Beteiligten rigoros ausgeschlossen hat. Mit der erstarkten AfD will niemand zusammenarbeiten, mit Ramelows Linkspartei hat nicht zuletzt die CDU ein Problem – die Rote-Socken-Kampagne ist unvergessen.

Für Mohring beginnt nun ein politischer Drahtseilakt. Einerseits hat ihm seine Fraktion 22 Themenfelder für das Gespräch mit Ramelow genannt, wo von Fall zu Fall auch zusammen mit Rot-Rot-Grün abgestimmt werden könnte. Andererseits gilt weiter ein Unvereinbarkeitsbeschluss, den der CDU-Parteitag 2018 in Hamburg verabschiedet hat: „Die CDU Deutschlands lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit sowohl mit der Linkspartei als auch mit der Alternative für Deutschland ab.“ Generalsekretär Paul Ziemiak hat erst kürzlich, als über eine „Projektregierung“ in Thüringen gemunkelt wurde, zweifelsfrei festgestellt, dass die Ansage weiter gilt: „Daran sind alle Mitglieder der CDU gebunden“, schrieb er im Wissen „um die schwierige Situation in Thüringen“ am 10. Januar auf Twitter.

Manchen in der Union geht die Von-Fall-zu-Fall-Kooperation zu weit

Mike Mohring rechtfertigte am Montag seinen Kurs, den er für vereinbar mit den Beschlüssen der Bundespartei hält. „Rot-Grün hat für seine ideologischen Projekte keine Mehrheit mehr, und wir werden für eine Verlängerung auch nicht den Weg ebnen“, sagte der 48-Jährige unserer Zeitung: „Die CDU-Landtagsfraktion sieht aber aus ihrer Sicht Themen, die für das Land wichtig und allgemein mehrheitsfähig sind, ohne dass damit eine politische Richtungsentscheidung verbunden ist.“ Dies sei „nicht gleichzusetzen mit einer Unterstützung für Rot-Rot-Grün“.

Die neue Herangehensweise der Christdemokraten in Erfurt beschreibt das CDU-Präsidiumsmitglied folgendermaßen: „Wir werden eigene Anträge und Gesetze zu diesen Themen vorlegen und Vorschläge anderer Fraktionen dazu im parlamentarischen Verfahren beraten und beschließen und nicht fundamental ablehnen.“ Die Fraktion hat zudem beschlossen, Bodo Ramelow bei der noch nicht endgültig terminierten Ministerpräsidentenwahl die Unterstützung zu verweigern.

Bei der Klausur des CDU-Bundesvorstands am Wochenende war das Vorgehen der Thüringer Kollegen offiziell kein Thema, auf den Fluren dafür umso mehr. Die einen ärgern sich, dass die Partei den Rat von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther in den Wind geschlagen, sich rechtzeitig für Situationen wie in Thüringen zu wappnen. Anderen geht selbst die Von-Fall-zu-Fall-Kooperation zu weit – doch schweigen sie offiziell, um den aus ihrer Sicht bereits entstandenen Schaden nicht noch zu vergrößern. Manchen von Mohrings Kritikern geht es dabei nicht nur um das rote Tuch Linkspartei – sie befürchten, dass eine wie auch immer geartete Kooperation auch die Brandmauer zur AfD einstürzen lässt.

Das Gros der Führungszirkels scheint derweil seinen Frieden mit dem Erfurter Weg gemacht zu haben. „Hauptsache, es gibt keine offiziell vereinbarte Form der Zusammenarbeit“, sagt einer aus dem Bundesvorstand. Diesen Eindruck versucht Mohring nun noch zu verstärken. „In Hamburg habe ich in vielen Gesprächen am Rande der Tagung viel Verständnis für die Lage und unseren nun vereinbarten Weg erfahren“, sagte er am Montag unserer Zeitung: „Ich bin davon überzeugt, dass eine klare Haltung und Gesprächsfähigkeit sich nicht ausschließen“.