Ron Williams 2015 in der Ludwigsburger Scala bei einem Südafrika-Benefizkonzert Foto: factum/Weise

Zum ersten Todestag des Renitenz-Theater-Gründers kommt Ron Williams am Sonntag nach Stuttgart. Der Star berichtet musikalisch und erzählend über Stationen seines Lebens – auch und gerade in Stuttgart.

Stuttgart - Ein Gespräch mit Ron Williams ist eine Reise in eine Zeit zurück, als vieles noch anders war, in Deutschland, in Stuttgart: „Mein Leben in Deutschland begann Anfang der 1960er Jahre in Stuttgart. Zunächst war ich stationiert in den Robinson Barracks auf dem Burgholzhof. Zu einem der ersten Ausflüge wurde ich mitgenommen nach Bad Cannstatt. Da war gerade Volksfest. Das war eine Wunderwelt für mich: Die Leute, das viele Bier, die german frolleins . . .“ – diese Zeilen geben nur ungefähr einen Eindruck von der Leidenschaft und Begeisterung, mit der der gebürtige Kalifornier aus seinem Leben erzählt, mit der er heute noch unterwegs ist. Um zu zeigen, was er noch drauf hat, kommt der bald 76-Jährige wieder mal live nach Stuttgart: An diesem Sonntag gastiert er von 19 Uhr an mit seinem Programm „Hautnah“ im Renitenz Theater.

Viele Generationen werden mit Williams etwas verbinden: Seit mehr als 40 Jahren ist er als Sänger und Moderator auf den Bühnen in Deutschland und international unterwegs, in großen Filmen war er Synchron-Sprecher, seit etwa 15 Jahren spielt er die Titelrollen in Bühnenproduktionen etwa über Martin Luther King, Ray Charles, Harry Belafonte oder Nelson Mandela. Im Theaterhaus war er in der Sweet Soul Music Revue zu erleben.

Viel Glück gehabt im Leben

Sein aktuelles Programm „Hautnah“ ist anders: „Ich arbeite gerade an meiner Autobiografie“, so Williams, „und das lässt sich doch auch auf der Bühne umsetzen. Ich habe eine interessante, zugleich ziemlich brutale Kindheit erlebt. Überhaupt ist mein Leben sehr vielschichtig und außergewöhnlich verlaufen, da hatte ich auch viel Glück gehabt. Davon berichte ich nun – auch auf der Bühne – sehr persönlich, zugleich sehr politisch und singe dazu einige Songs, die mir sehr viel bedeuten.“

Ein Amerikaner macht politisches Kabarett in Deutschland

Stuttgart hat bei ihm einen besonderen Stellenwert, dabei vor allem das Renitenz-Theater, und da vor allem dessen Gründer und jahrzehntelanger Leiter Gerhard Woyda, an dessen ersten Todestag dieser Auftritt am Sonntag erinnert. „Woyda war der erste, der mich für die Bühne verpflichtet hat“, so Williams. Ganz so einfach verlief dies aber nicht, drei Anläufe waren nötig, bis Williams zugesagt hat. „Das war schon ziemlich außergewöhnlich damals 1961: Ein muttersprachlicher Amerikaner mit entsprechendem Akzent und afrikanischen Wurzeln in einem politischen deutschen Kabarett.“

Größen des Stuttgarter Balletts im Königsbau

Doch Woyda hat in ihm nicht nur den Exoten gesehen, sondern einen, der alles intensiv in sich aufnimmt, was er in diesem für ihn exotischen Deutschland erlebt, wen er dort getroffen hat: „Im Café Königsbau saßen die Größen des Stuttgarter Balletts: John Cranko, Marcia Haydée, Richard Cragun, John Neumeier oder Klaus, der Bruder von Birgit Keil. Mit Musikern wie Götz Wendlandt oder Horst Jankowsky war ich befreundet. Im Renitenz-Theater, damals noch ganz klein in der Königstraße, habe ich Gerd Fröbe erlebt, ganz nah, keinen halben Meter vom Publikum entfernt. Oder Willy Reichert. Mit dem das eine oder andere Glas Wein zu trinken, das war ein unvergleichliches Erlebnis“, erinnert sich Williams: „Das alles habe ich wie ein Schwamm aufgesogen. Und ich konnte mir das alles sehr gut merken: Die Sprache, die Gesten, auch das Schwäbische, ohne jemals eine Stunde Unterricht genommen zu haben“.

Eine Zeitlang war er auch Chauffeur eines Funktionärs der Stahlbranche: „Als junger Kerl war ich mit einem ganz protzigen Daimler unterwegs. Da sind wir auch nach Österreich gefahren zu Treffen mit ehemaligen Kriegskameraden. Die haben da über ihre Wehrmachts-Zeit, über ihre Schlachten, über Rommel geredet. Und wie.“ In diesem illustren Umfeld war Williams auch mal bei Erika Staengel eingeladen, die bis Anfang der 1970er Jahre das Eszet-Schokoladenunternehmen leitete. Williams erinnert sich: „An einem großen Tisch war links von mir ein Drei-Sterne-General und rechts Woyda. Damals begeisterte ich mit dem Imitieren von Stimmen, etwa von John F. Kennedy oder Willy Brandt. Das kam sehr gut an. Die Leute haben sich gefragt, wie ich auf so was komme. Vor allem, als ich die Stimme von Hitler nachgemacht habe. Und das als Schwarzer. Da wurde Woyda wohl auf mich aufmerksam.“

Friedrich der Große war interessanter als George Washington

Williams könnte noch viele solcher anekdotischer Perlen aneinanderreihen, doch das würde nur unzureichend sein Verhältnis zu Deutschland beschreiben: „Mein Lieblingsfach in der Schule war Geschichte. Und da haben mich nicht naheliegende Größen wie unser Staatsgründer George Washington interessiert, sondern eher Friedrich der Große“, so Williams. „Und ich konnte nicht verstehen, wie so ein kulturelles reiches Land dem Nationalsozialismus verfallen konnte. Und wie es dann, nach 1949, wenn auch mit vielen Schwierigkeiten und Fragezeichen, doch gelungen ist, dies aufzuarbeiten, da wieder rauszukommen, wieder Mut und Stärke zu finden. Das waren alles Fragen, die mich beschäftigt haben, auf die ich eine Antwort wollte. Als amerikanischer Soldat hätte ich nach Japan, nach Korea oder sonst wo hin gehen könnte, aber ich wollte nach Deutschland.“

Williams ist also nicht nur den leichten Weg gegangen: „Es gab in den 1960er Jahren nicht viele Schwarze, die in Deutschland bekannt waren. Das waren Roberto Blanco und Billy Mo. Nichts gegen die beiden, aber ich wollte nicht so ein Bundes-Bimbo sein, ich wollte nicht Klischees bedienen, ich wollte nicht der typische Amerikaner sein, über den es ja so viele Witze gibt“. Williams erinnert sich: „Dazu habe ich zu viele unangenehme Erlebnisse gehabt, viele rassistischer Natur, auch lebensbedrohliche sind dabei. Etwa als einziger Schwarzer in meiner Ausbildungseinheit in Georgia. In meinem Leben habe ich viel Verlogenes gehört: In Amerika etwa wird seit über 300 Jahren über die Sklaverei oder über die Ausrottung der Indianer geschwiegen. Hier in Deutschland wollten und wollen derzeit leider wieder viele nicht an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert werden. Gespräche darüber sind schwierig, aber man muss dazu Fragen stellen, ich will darüber mehr wissen.