Foto: Greenpeace Germany

Suche in 400 Metern: Auch in der Nordsee wird immer riskanter nach Öl gebohrt.

Freiberg/Hamburg - Kann sich eine Ölkatastrophe wie im Golf von Mexiko auch in der Nordsee wiederholen? Dort stehen 400 Bohrinseln. Greenpeace zweifelt an der Sicherheit der Plattformen und kämpft für den sofortigen Stopp von Tiefseebohrungen. Doch die Forderung ist unter Experten umstritten.

Der Wettlauf um die Ressource Öl treibt die Industrie weltweit immer stärker in die Tiefe der Meere - auch in der Nordsee. Der Vorteil hier: Das Meer ist flacher als der Golf von Mexiko - erst ab Höhe der norwegischen Stadt Bergen sinkt der Meeresboden auf unter 200 Meter ab. Das ist eine entscheidende Grenze, denn bis zu dieser Tiefe können Taucher operieren und bei Unfällen Reparaturen ausführen. Anders im Golf: Die gesunkene Plattform Deepwater Horizon bohrte in 1500 Meter Wassertiefe nach Öl.

Matthias Reich ist Professor für Tiefbohrtechnik an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg in der Nähe von Dresden. Reich hält die Gefahr, dass sich in der Nordsee eine ähnliche Katastrophe wie vor der US-Küste ereignet, für gering. Er sieht deutliche Unterschiede zwischen den beiden Regionen. "Im Golf von Mexiko reden wir von einer Erkundungsbohrung", sagt er. Das bedeutet, es wird ein sogenanntes Greenfield angezapft, ein bislang unberührtes Ölfeld, welches unter hohem Druck steht. In der Nordsee befinden sich fast nur noch Brownfields. Das sind Ölfelder, aus denen schon der größte Teil der Ölreserven abgepumpt wurde. "Diese Felder stehen nicht mehr unter Druck", so Reich. Ohne nachzuhelfen, tritt aus Brownfields kein Öl mehr aus, auch nicht bei einem Unfall.

Die geringere Meerestiefe der Nordsee bringt weitere Vorteile. Es herrschen weniger extreme Bedingungen wie vor der Küste Louisianas. Der Wasserdruck ist in großer Tiefe sehr hoch, und die Temperaturen sind extrem niedrig. Durch diese Umweltbedingungen können sich Gashydrate bilden. Diese Feststoffe verhinderten vor wenigen Wochen, dass das entweichende Öl vor der amerikanischen Küste mit Hilfe einer riesigen Kuppel abgepumpt werden konnte. "In den Medien hat man fälschlicherweise von Eisbildung gesprochen." Dieses Problem würde sich bei einem Unfall in der Nordsee nicht stellen.