Fächkräfte werden in Deutschland schon jetzt händeringend gesucht. Foto: dpa

Deutschland ist in den nächsten Jahren verstärkt auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen, darin besteht weitgehend Einigkeit. In der Union ist jetzt aber ein Streit darüber entbrannt, wie die Zuwanderung geregelt werden soll.

Berlin - Der unerwartet heftige Widerstand in der Unionsfraktion gegen den Gesetzentwurf zur Fachkräfte-Zuwanderung könnte den Zeitplan der Bundesregierung ins Wanken bringen. Eigentlich sollte am 19. Dezember im Kabinett sowohl Horst Seehofers Gesetzentwurf als auch die sogenannte Fachkräfte-Strategie, ein Gesamtaufriss der Politik zur Bekämpfung des Fachkräftemangels, verabschiedet werden. Nun bringt Thorsten Frei, der neue stellvertretende Fraktionschef, eine Verschiebung ins Spiel. In dieser Frage solle „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ gehen, sagte Frei am Donnerstag unserer Zeitung. Es sei vielleicht besser, „die noch offenen Fragen in Ruhe zu klären, statt alles bis Weihnachten durchbringen zu wollen“, sagte Frei. Inhaltlich stehe er „voll hinter dem Brief“ der beiden fachpolitischen Sprecher Mathias Middelberg (Innen) und Joachim Pfeiffer (Wirtschaft) .

In der Sache müsste ein Kompromiss möglich sein, denn auch Middelberg und Pfeiffer bekennen sich in ihrem Protestbrief „zu dem Ziel, im Rahmen einer Fachkräfte-Strategie auch das Aufenthaltsrecht so zu ändern, dass gezielt mehr qualifizierte Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten für eine Beschäftigung in Deutschland gewonnen werden können“.

Wie dringlich diese Aufgabe ist, geht auch aus dem Strategie-Papier hervor, das eigentlich am 19. Dezember gemeinsam mit dem Gesetzentwurf im Kabinett beschlossen werden soll und das unserer Zeitung vorliegt. Dort heißt es, der Fachkräftemangel drohe zu „einem bedeutenden Risiko für die deutsche Wirtschaft zu werden“. Heute schon träten bei bestimmten „Qualifikationen, Regionen und Branchen deutliche Fachkräfte-Engpässe auf“. In Ostdeutschland werde sich dieser Mangel besonders schnell bemerkbar machen. „Im vergangenen Jahr konnte hier jeder zweite Betrieb nicht oder nur teilweise seinen Bedarf an Fachkräften decken“, heißt es in dem Papier.

Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter wird bis 2040 um rund sechs Millionen abnehmen

Auch die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) nennt die Bekämpfung des Fachkräftemangels eine „Schlüsselaufgabe zur Sicherung des Wohlstands in Deutschland“. Die Aussage findet sich in der Stellungnahme der BDA zum Gesetzentwurf Seehofers. Dort heißt es, die Zahl der offenen Stellen und die der Beschäftigung seien auf Rekordniveau, die Arbeitslosigkeit auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Gleichzeitig werde die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter bis 2040 um rund sechs Millionen auf unter 44 Millionen abnehmen. Arbeitskräfte-Engpässe seien „überall spürbar und werden allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung zunehmen“.

Die Bundesregierung weist in ihren Eckpunkten, die dem Gesetzentwurf vorangegangen waren, ausdrücklich darauf hin, dass das „hohe Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre auch durch die Zuwanderung aus Mitgliedstaaten der EU gestützt wurde“. Nun aber „geht dieser Wanderungssaldo zurück“. Das heißt, Deutschland ist dringend darauf angewiesen, dass die Zuwanderung von Fachkräften auch aus Staaten außerhalb der Europäischen Union kräftig steigt.

Wird dieser Zweck durch Seehofers Entwurf erfüllt? Darüber geht der Streit. Joachim Pfeiffer, der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, sagt, der Entwurf führe „zum Gegenteil, zu Einwanderung in die Sozialsysteme“. Das Argument, der Entwurf mache lediglich Deutschland für Fachkräfte attraktiv, nennt er eine „Argumentation von einem anderen Stern“.