Es kommt Bewegung in die Debatte um die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken. Mit einem Treffen im Kanzleramt haben am Donnerstagabend die Verhandlungen zwischen der Regierung und den vier Stromriesen begonnen.

Berlin - Es kommt Bewegung in die Debatte um die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken. Mit einem Treffen im Kanzleramt haben am Donnerstagabend die Verhandlungen zwischen der Regierung und den vier Stromriesen begonnen, die Kernkraftwerke betreiben.

Der Ausstieg aus dem Atom-Ausstieg soll bis zum Herbst durchverhandelt sein. Bis dahin will die Koalition ein neues Energiekonzept vorlegen. Ziel ist, dass irgendwann "die erneuerbaren Energien den Hauptanteil an der Energieversorgung übernehmen", wie es im Koalitionsvertrag heißt. Derzeit liefern sie erst 16 Prozent der Energie - bis der Hauptanteil von Sonne, Wind und Wasser kommt, ist es also noch ein recht weiter Weg. Die Zeit bis dahin soll die Atomkraft überbrücken helfen.

Hinter den Kulissen wird derzeit heftig um die Details gerungen: Die Beteiligten sind auf Seiten der Industrie die Technik-Vorstände der vier Stromversorger, die Atomkraftwerke betreiben, also Eon, RWE, Vattenfall und EnBW, auf Seiten der Bundesregierung das Kanzleramt, das Wirtschafts- und das Umweltministerium. Seit Donnerstagabend ist klar, dass der Wirtschaftsberater der Kanzlerin, Jens Weidmann, eine koordinierende Rolle bei den Verhandlungen spielen wird.

Und darum geht es in der Sache: Die Laufzeiten sollen verlängert werden - womöglich um acht oder um zehn Jahre. Ganz klar ist das aber noch nicht. Die längste Frist wäre, dass jedes einzelne Kraftwerk 60 Jahre läuft - eine Zeitspanne, die derzeit international als machbar gilt.

Da die Anlagen abgeschrieben sind, würden längere Laufzeiten Milliarden in die Kassen der Betreiber spülen. Als Faustformel gilt laut einer Studie der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), dass die zusätzlichen Profite je nach Strompreis zwischen vier und acht Milliarden Euro je Jahr Verlängerung ausmachen. Bei den Gesprächen wird es darum gehen, wer diese zusätzlichen Profite bekommt.

RWE-Chef Jürgen Großmann hatte für eine gewisse Verärgerung bei seinen Kollegen gesorgt, als er vorpreschte und der Politik bereits die Hälfte der zusätzlichen Profite in Aussicht gestellt hat. Holger Krawinkel, Energieexperte beim Verbraucher-Zentrale Bundesverband (VZBV), legt die Latte noch etwas höher und verlangt eine Ausschüttung von 80 Prozent der Zusatz-Profite. Es wird zu klären sein, wie die Atom-Milliarden an die Bevölkerung verteilt werden. Die scharz-gelbe Koalition denkt an eine Förderung der erneuerbaren Energien. Krawinkel schlägt ein Gebäudesanierungsprogramm vor, bei dem der Staat Zuschüsse gewährt.

Die Stromversorger stehen zum Teil unter Zeitdruck. Weil die Reststrommengen nahezu ausgeschöpft sind, droht bei EnBW die Abschaltung von Neckarwestheim I und bei RWE die Abschaltung von Biblis A. Joachim Pfeiffer, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, sagte: "Bei der Verlängerung der Laufzeiten müssen wir auch darauf achten, dass keine Schieflagen im Wettbewerb entstehen." Hintergrund sind Befürchtungen, dass die vier großen Stromversorger eine noch stärkere Stellung im Markt bekommen könnten.

Aus Sicht von Grünen-Politikers Jürgen Trittin diente das Treffen der Täuschung der Öffentlichkeit und dem Päppeln der Energiekonzerne. "Man möchte der Öffentlichkeit nicht sagen, wie lange man welche Schrottreaktoren noch laufen lassen will."