Moritz Haidle (links) und Moriz Just beim weintechnischen Wechselspiel mit den Großen Gewächsen aus ihren Stettener Top-Rieslinglagen. Foto: /Gottfried Stoppel

Ein Riesling-Experiment im Segment der Großen Gewächse: die Weingüter Karl Haide und Herzog von Württemberg tauschen Parzellen in den berühmten Lagen Brotwasser und Pulvermächer.

Wechsel - Nein, es sind keine bösen Straftaten passiert, dort oben an der Stettener Y-Burg, wo die Riesling Toplagen Pulvermächer und Brotwasser am steilen Hang direkt aneinander angrenzen. Trotzdem. Die Wengerter Moritz Haidle und Moriz Just haben in fremdem Revier gewildert, allerdings in gegenseitiger Absprache und allerbester Nachbarschaft. Es geht um die weit über die Region hinaus berühmten Toplagen für Riesling, die sich teils in kompletter Südausrichtung unter der Stettener Y-Burg befinden: Die Lagen Pulvermächer und Brotwasser auf denen die beiden Topbetriebe die Trauben für ihre Großen Gewächse stehen haben.

Topweine aus fremden Trauben

Und weil sowohl im Weingut Herzog von Württemberg als auch im Weingut Karl Haidle zwei experimentierfreudige Weinmacher am Werke sind, haben sie beschlossen, bei ihren vinologischen Aushängeschildern ganz neue Wege zu gehen. Die weintechnische Geschmacksfrage: Was passiert, wenn der eine ein großes Gewächs aus den Trauben vom Wengert des anderen keltert?

Die Lage Brotwasser, bekannt auch durch historische Anekdoten zur Namensgeschichte, ist komplett im Besitz der Hofkammer. Einst soll Herzogin Magdalena Sibylla sich den Stettener Riesling von jenem Weinberg anstelle von Wasser reichen haben lassen, um drin ihr Brot einzutunken und so vergleichsweise unauffällig an den alkoholischen Genuss zu kommen – als Brotwasser eben. Der Stettener Pulvermächer wiederum, in dessen Lage das Weingut Karl Haidle den größten Teil seiner Rieslinge anbaut, wurde erstmals anno 1650 erwähnt. Der Name hängt mit einer einstigen Steingrube zusammen, in der vom „Pulvermächer“ – dem Sprengmeister – Steinsprengungen vorgenommen wurden.

Die terrassierten Weinberge beider Lagen liegen windgeschützt oberhalb und unterhalb der Y-Burg. Brotwasser und Pulvermächer gelte als sehr warme Lagen mit Keuper-Verwitterungsgestein, teilweise mit Einlagen von sandigem Lehm.

Haidle Riesling vom Brotwasser also und Großes Gewächs der Hofkammer aus dem Pulvermächer: „Es ist spannend zu entdecken, wie krass die Unterschiede sind“, sagt Moritz Haidle beim ersten Vergleichsschluck im strahlenden Sonnenschein direkt bei der Y-Burg. Und Winzerkollege Moriz Just, Betriebsleiter und Kellermeister im Weingut Herzog von Württemberg, bestätigt die Überraschung im Glas. „Eigentlich machen wir ja gar nicht so viel anders.“ Nicht ganz so „spontanlastig“ gehe es her im herzoglichen Weinkeller zu Ludwigsburg, es geht um den Trend zur Spontanvergärung bei Verzicht auf gezüchtete Hefen. Und während im Hause Haidle beim Riesling die Ganztraubenpressung ausschließliches Mittel der Wahl ist, wird das Pressverfahren im Hause Württemberg von Fall zu Fall gewählt.

Handschrift des Winzers bleibt erkennbar

Bleibt Traubenpflege im Weinberg und vor allem der Lesezeitpunkt als Faktor der am Ende im Produkt geschmackliche oder farbliche Nuancen hinterlässt. Es werde deutlich, sagen die experimentierenden Wengerter, dass „Terroir“ – die Gesamtheit der Bedingungen unter denen Wein entsteht – mehr ausmache als nur Boden, Klima und Witterung. Dazu gehöre eben auch die Handschrift des Winzers.

Den Direktvergleich macht der als „Wilderer-Quartett“ gestaltete Viererpack an Großen Gewächsen möglich. Je ein Riesling GG aus den beiden Lagen und von jedem Weingut sind mit drin, im Weihnachtsgeschenk für fortgeschrittene Weinfreunde. Einzeln sind die Tropfen nicht zu haben. Und zur limitierten Auflage von 400 Paketen (Preis: 135 Euro) gibt es noch eine ganz eigene Geschichte. Ein Unfall habe die Menge leider zusätzlich begrenzt, berichtet Moritz Haidle. Ein Behälter mit dem wertvollen Inhalt ist während der Gärung gekippt. Rund hundert Liter vom quasi einzigartigen Haidleschen Brotwasser-Riesling sind ausgelaufen. „Ich hab’ gedacht, mich trifft der Schlag.“