Die Rheintalbahn ist bei Rastatt eine Großbaustelle Foto: dpa

Die Rastatter Bahn-Panne deckt jahrzehntelange Versäumnisse in der Verkehrspolitik auf, kommentiert Frank Schwaibold.

Stuttgart - Ein eingebrochener Tunnel, verbogene Gleise und ein Ende nicht in Sicht: Die Panne auf der Rheintalstrecke weitet sich für die Deutsche Bahn zu einem düsteren Kapitel aus. Kaum besser steht das Bundesverkehrsministerium da. Die immensen Folgen der nun mindestens achtwöchigen Sperrung der Rheintalbahn zeigen gnadenlos jahrzehntelange Versäumnisse der deutschen Verkehrspolitik auf.

Fakt ist: Die Rheintalbahn ist die wichtigste Nord-Süd-Verbindung zwischen den Seehäfen Rotterdam und Genua und damit auch für die neue Alpentransversale (Neat) samt neuem Gotthard-Tunnel. Schon kurz nach der Sperrung bei Rastatt lief es schlecht. Unmittelbar Betroffene erfuhren teilweise aus der Presse vom Desaster.

Die Bürgermeisterriege von Baden-Baden beschwerte sich ebenso wie das Schweizerische Bundesamt für Verkehr. Abgesehen davon, dass die Informationspolitik der Bahn nicht rund lief, zeigt sich ein noch viel größeres Problem: Die Güterzüge, die zwei Monate lang die gesperrte Strecke nicht befahren können, quälen sich jetzt mit viel Verspätung über unzureichende Umleitungsstrecken.

Die Gäubahn als Exempel

Denn diese Strecken sind entweder nicht elektrifiziert oder nur eingleisig – im schlimmsten Fall beides. Exemplarisch zeigt sich dies an der Strecke Singen-Stuttgart (Gäubahn). Da die Gäubahn derzeit zwischen Herrenberg und Böblingen wegen Sanierungsarbeiten ebenfalls voll gesperrt ist, werden die eh schon umgeleiteten Züge in Horb ein weiteres Mal umgelenkt. Statt über die Gäubahn direkt nach Stuttgart fahren zu können, biegen sie nach Tübingen ab und nehmen am Neckar entlang eine Schleife bis Plochingen.

Da die Strecke Horb-Tübingen nicht elektrifiziert ist, muss dort sogar noch eine Diesellok vorgespannt werden. Für die Anwohner entlang der sogenannten Neckar-Alb-Bahn heißt das: mehrere Wochen zusätzlicher Zuglärm. Vom 5. September an, wenn die Sanierung zwischen Herrenberg und Böblingen beendet ist, trifft es dann die Gäubahn-Anlieger.

Bahn fährt lange am Limit

All dies zeigt: Die Bahn fährt seit Jahrzehnten am Limit. Aufgrund des Sparkurses unter dem früheren Bahnchef Hartmut Mehdorn wurden mit Zustimmung des Bundesverkehrsministers viele Gleise und Weichen abgebaut. Wenn es dann zu einer Streckensperrung kommt, gibt es – anders als beim Straßennetz – kaum Ausweichmöglichkeiten. Andere Länder wie die Schweiz, Österreich oder die Niederlande haben eine bessere Infrastruktur. Deshalb gilt es mehr denn je, die Sünden der Vergangenheit in Deutschland so rasch wie möglich zu korrigieren.

Für den Südwesten heißt das: Kleine Elektrifizierungslücken wie die Strecke Tübingen-Horb sollten ebenso wie die Südbahn (Ulm-Friedrichshafen) unter Draht genommen werden. Die Gäubahn wiederum – auf mehreren Abschnitten noch eingleisig – muss zweigleisig ausgebaut werden. Immerhin ist sie als Verbindung zwischen Stuttgart und Zürich eine weitere wichtige Neat-Verbindung in den Süden. Zudem sind ein Ausbau und eine Elektrifizierung weiterer möglicher Umleitungsstrecken Richtung Schweiz und Italien wie die Hochrheinbahn und die Bodenseegürtelbahn nicht in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden. Die Lücken im E-Netz jedenfalls sind groß. In Deutschland insgesamt sind nur 58,8 Prozent aller Strecken unter Strom. Deshalb sind mehr Investitionen in die Schiene unerlässlich – und im Bundesverkehrswegeplan 2030 muss die Schiene ein stärkeres Gewicht bekommen als bisher.

Weitere Störungen drohen

Bleibt alles wie gehabt, drohen bei weiteren Störungen erneut massive wirtschaftliche Probleme für die Eisenbahnunternehmen, die Dienstleister im Güterverkehr und für wichtige Industriebranchen, die dann zu spät mit Grundstoffen versorgt werden. In der Schweiz spricht die „Basler Zeitung“ schon davon, dass Deutschland „künftig als Drittweltstaat einzustufen ist, wenn es um Infrastruktur- und Verkehrspolitik geht“.

Der Nutzfahrzeugverband Astag legt mit Blick auf den Gotthard-Tunnel nach: „Die Neat-Bauwerke sind eine Kathedrale in die Wüste!“ Wohl wahr: Nach wie vor fehlen die von Deutschland und Italien versprochenen Zulaufstrecken – und das bereits seit 1996, als dies im Staatsvertrag von Lugano zwischen den drei Ländern vereinbart wurde.