Auf dem Reyerhof leben derzeit zehn Milchkühe. Foto: Alexandra Kratz

Die Nachfrage nach direkt vor Ort produzierten und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln ist groß. Doch was passiert, wenn sie das Angebot übersteigt? Das bringt vor allem Bio-Betriebe in die Bredouille.

Möhringen - Es hat einmal klein angefangen. 2013 gründeten die Reyerhof-Besitzer Dorothea Reyer-Simpfendörfer und Christoph Simpfendörfer zusammen mit ein paar engagierten Stuttgartern die solidarische Landwirtschaft. Damals war es noch eine vergleichsweise kleine Gemeinschaft mit etwa 30 Leuten, die Verantwortung übernehmen wollte, die genau wissen wollte, wo ihre Lebensmittel herkommen. Seitdem ist sie stetig gewachsen.

Jedes Jahr im November ist Bieterversammlung. Dann legen die Mitglieder, die sogenannten Solawis, gemeinsam das Budget fest. Danach erhält jedes Mitglied einen nummerierten Zettel, auf dem ein individuelles Gebot abgegeben wird. Das kann der vorgeschlagene Richtwert sein oder auch darüber oder darunter liegen. Die Summen werden addiert und müssen das zuvor definierte Budget erreichen. Sollte dies nicht der Fall sein, ist eine neue Runde erforderlich – so lange bis das Geld ausreicht. Im nächsten Jahr wird dann die Ernte entsprechend der Anteile verteilt. Die Reyerhof-Mitarbeiter beliefern feste Verteilpunkte. Dort wiegen und zählen die Solawis ihren Anteil ab und nehmen ihn mit nach Hause. Das Ganze basiert auf Vertrauen.

Der Reyerhof will an seinen Prinzipien festhalten

Der Trend ist eindeutig: Immer mehr Menschen wollen mitmachen. Im Dezember 2013, kurz nach der Gründung, waren es 114 angemeldete Mitglieder mit 149 Anteilen. Im vergangenen Herbst ging es bei der Bieterversammlung um 440 Anteile. „Das waren 25 Prozent mehr als in den Jahren zuvor“, sagt Lukas Dreyer, der den Reyerhof mittlerweile übernommen hat. Er freut sich über das große Interesse, doch für ihn ist das auch mit vielen Herausforderungen verbunden. Das beginnt schon bei der Bieterversammlung, die im November wieder ansteht. Schon bei der letzten Veranstaltung in der Österfeldhalle musste er die Solawis darum bitten, möglichst allein zu kommen. Denn es gibt kaum Räume für so viele Menschen.

Viel größer wiegt aber freilich das Kapazitätsproblem. Wie stellt man für eine so große Gemeinschaft regionale Bio-Lebensmittel in Demeter-Qualität her, ohne sich von den eigenen Prinzipien zu entfernen? „Wenn wir weiter so nachhaltig und vielfältig strukturiert sein wollen, kommen wir da an eine Grenze“, sagt Dreyer. Derzeit habe der Reyerhof ein ausgewogenes Verhältnis von Getreide- und Gemüseanbau sowie Tierhaltung. „Natürlich kann man es intensivieren. Aber das wollen wir nicht“, sagt der Landwirt.

Es ist schön, wenn sich viele Menschen der Bewegung anschließen

Das Reyerhof-Team beschäftigte sich im März bei einer Klausurtagung mit der Frage, wie man mit dem Wachstum umgehen könnte und sollte. Dabei zeichneten sich zwei Lösungsansätze ab: Entweder man gründet viele verschiedene kleine solidarische Landwirtschaften mit verschiedenen Höfen als Kooperationspartner, oder man belässt es bei einer großen solidarischen Landwirtschafts-Gemeinde, die von mehreren Höfen versorgt wird. Dreyer kennt Landwirte, die Interesse an dem Konzept haben. „Es gibt Höfe, die aktuell nicht genau wissen, wie es weitergehen soll“, sagt er. Vielleicht werde er demnächst bei der einen oder anderen Feldfrucht mit einem anderen Landwirt kooperieren, um schon einmal zu üben und Erfahrungen zu sammeln, wie eine solche Zusammenarbeit aussehen könnte.

Natürlich könnte Dreyer auch einfach eine Grenze setzen und zum Beispiel bei 500 Solawis-Anteilen Schluss machen. Doch das will er auch nicht. Denn eigentlich sei es ja schön, dass immer mehr Menschen mitmachen. „Ich will da niemanden ausschließen“, sagt er.