Der DRK-Landesverband möchte Fehleinsätze von Notärzten reduzieren und schreibt an Bundesgesundheitsminister Bahr. Foto: dpa

Das DRK unterstützt die Landesregierung bei ihrem Plan, das Rettungswesen zu reformieren, um Fehleinsätze von Notärzten künftig zu vermeiden. Ob das gelingt, hängt nun vom Bund ab.

Stuttgart - Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hat dieser Tage mindestens zweimal Post aus Baden-Württemberg bekommen. Erst flatterte dem FDP-Politiker eine Bundesratsinitiative von Baden-Württemberg und Hessen auf den Tisch, dann erhielt er einen Brief von Lorenz Menz, Präsident des DRK-Landesverbandes in Stuttgart. Der Inhalt war nahezu deckungsgleich und hat nur ein Ziel: Das Rettungswesen in Deutschland soll nach Auffassung der Absender dahin gehend reformiert werden, dass Notärzte nur noch dann ausrücken, wenn auch ein Notarzt gebraucht wird.

Dass dies in den vergangenen Jahren oftmals nicht der Fall war, bestätigen Experten. Immer öfter würden Bürger in der Nacht oder am Wochenende nicht den diensthabenden Hausarzt anrufen, sondern die Notrufnummer 112 wählen. Was im ersten Moment aus Sicht der Betroffenen nachvollziehbar ist, hat für das Rettungswesen gravierende Folgen. Denn erstens fehlt der Notarzt dann an anderer Stelle, wo er womöglich dringender gebraucht wird. Zweitens sorgt das bisherige System der Notfallrettung für bedenkliche Auswüchse. Und genau darauf weist Menz nun in seinem Brief an Bahr hin. Bisher könnten im Rettungsdienst nur Fahrten abgerechnet werden, wenn der Patient nach der Erstversorgung daheim automatisch mit dem Rettungswagen in die Klinik gebracht werde.

Das sei aber nicht in allen Fällen nötig und verursache deshalb unnötige Kosten für die Kliniken und damit für die Krankenkassen. Der DRK-Landesverband hat berechnet, dass es bundesweit jährlich rund sechs Millionen Notfalleinsätze gibt. „Wenn nur bei einem Prozent der Einsätze eine Krankenhauseinweisung vermieden werden kann“, so Menz in seinem Brief, der unserer Zeitung vorliegt, und damit die Krankenhauspauschale von 300 Euro pro Kopf entfällt, würden „Kosten von 18 Millionen Euro vermieden“.

„Verzahnung der Rettungsdienste“ gefordert

Allein Baden-Württemberg kann dies nicht alleine durchsetzen, sondern braucht dafür die Zustimmung des Bundes und eine Änderung im Sozialgesetzbuch V. Mit dem Vorstoß bewegt sich das DRK freilich ganz auf der Linie der Landesregierung. Die hat bekanntlich mit Hessen eine Bundesratsinitiative mit den selben Zielen gestartet. Denn noch an einem anderen Punkt ziehen DRK und Grün-Rot an einem Strang. Beide wollen erreichen, dass künftig in den Leitstellen, in denen die Notrufnummer 112 ankommt, der eigens geschulte Disponent entscheidet, ob wirklich der Notarzt anrücken muss oder nicht auch der Hausarzt helfen kann, der in jener Nacht oder am Wochenende Bereitschaft hat. Man brauche „eine Verzahnung der Rettungsdienste“, schreibt Menz an den Bundesgesundheitsminister. Wenn dies gelinge, führe dies „zu einer deutlichen Absenkung der Fehleinsatzquote bei Notarzteinsätzen. Dadurch werden die ärztlichen und notärztlichen Ressourcen besser genutzt.“

Dass dies nötig ist, wird beim DRK-Landesverband bestätigt. Landesgeschäftsführer Hans Heinz sagte den Stuttgarter Nachrichten, die Qualität der ärztlichen Versorgung habe „oberste Priorität“, aber man müsse mit „der knappen Ressource Notarzt gut haushalten“.

Der Hintergrund: Vor allem in ländlichen Regionen des Landes wird die vorgeschriebene Hilfsfrist, wonach ein Rettungswagen oder Notarzt maximal 15 Minuten nach der Alarmierung beim Patienten sein muss, nach wie vor nicht eingehalten. Trotz massiver Investitionen der Landkreise in Außenstellen mit Notarztwagen und Personal wird in einigen Regionen wie im Landkreis Sigmaringen, im Hohenlohekreis oder im Kreis Freudenstadt diese Frist nicht eingehalten. Wenn der Notarztwagen dann obendrein zu vermeintlich harmlosen Einsätzen ausrückt, wird es noch schwieriger, ihn rechtzeitig zu wirklichen Notfällen zu bringen. „Wenn die Wege weit sind und die Täler tief, ist das fast unmöglich“, sagt ein Experte mit Blick auf manche entlegenen Regionen im Schwarzwald oder auf der Schwäbischen Alb. Erschwerend kommt hinzu: Angesichts der zunehmenden Arbeitsbelastung an den Kliniken sinkt die Zahl der Ärzte, die auch am Wochenende als Notärzte noch unterwegs sind. „Die Ärzte werden seltener freigestellt“, heißt es.

Aus Sicht des DRK muss die Lage deshalb dringend verbessert werden. „Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie die Bundesratsinitiative wohlwollend prüfen und ihr zustimmen“, schließt Menz seinen Brief an den Bundesminister. Auch Innenminister Reinhold Gall (SPD) hofft auf die Einsicht in Berlin: „Nun sind die Bundesregierung und der Bundesrat am Zug.“