Sowohl das Busunternehmen Pflieger als auch der Busfahrer selbst bedauern das Fehlverhalten (Symbolbild). Foto: dpa/Andreas Gebert

Weil ein Rettungswagen eine Straße in Böblingen blockiert, parkt ein Busfahrer das Fahrzeug kurzerhand um. Das Unternehmen und der Fahrer bedauern den Vorfall – doch an der Darstellung der Polizei hegt der Busbetreiber Zweifel.

Böblingen - Es ist ein Fall, der Schlagzeilen macht: Am Donnerstag vor einer Woche werden die Sanitäter der Johanniter zu einem Einsatz in die Schwabstraße in Böblingen geordert. Eine Frau befindet sich in einem lebensbedrohlichen Zustand. Weil es schnell gehen muss, parken die Sanitäter ihren Rettungswagen auf der Straße und verschwinden im Gebäude. Den Motor lassen sie laufen, Warn- und Blaulicht bleiben eingeschaltet. Der Verkehr kommt zum Erliegen. Durchkommen Fehlanzeige. Einem 47-jährige Busfahrer des Busunternehmens Pflieger, das im Verkehrsverbund Stuttgart den Stadtverkehr in Böblingen und die Linien nach Sindelfingen bedient, passt das offensichtlich nicht. Er setzt sich an das Steuer des nicht verschlossenen Rettungswagens und parkt ihn kurzerhand um, „70 Meter vom Einsatzort entfernt und außer Sichtweite für die Rettungskräfte“, heißt es seitens der Polizei.

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„Sowohl das Busunternehmen Pflieger als auch unser Busfahrer selbst bedauern dieses Fehlverhalten sehr“, sagt der Geschäftsführer Hermann Pflieger. Er habe den Fahrer am Montag in einem persönlichen Gespräch ermahnt. Weitere Konsequenzen drohten seitens des Unternehmens nicht. „Arbeitsrechtlich darf ich ihm aus so einem Grund gar nicht kündigen“, sagt Hermann Pflieger. Ein Ermittlungsverfahren kommt dagegen sehr wohl auf den Busfahrer zu. „Wenn es einen Anfangsverdacht gibt, dass eine Straftat vorliegt, dann ist die Polizei verpflichtet, der Staatsanwaltschaft den Vorgang vorzulegen“, erklärt Heiner Römhild, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart. Die Staatsanwaltschaft prüfe den Fall und erhebe gegebenenfalls Anklage. Um welchen Straftatbestand es sich im vorliegenden Fall handle, könne Römhild derzeit noch nicht sagen. Laut Yvonne Schächtele von der Polizeistelle Ludwigsburg, ermittle die Polizei „wegen Behinderung von hilfeleistenden Personen und unbefugten Benutzens eines Fahrzeugs“.

Bei den Johannitern in Baden-Württemberg ist das der erste Vorfall dieser Art

Warum sich der Fahrer unerlaubterweise hinter das Steuer des Rettungswagens gesetzt hat? „Ich vermute, weil er seinen Fahrplan einhalten wollte. Er hatte bereits 18 Minuten in der Warteposition gestanden“, mutmaßt Pflieger über die Motive seines Angestellten. Warum er die Zentrale nicht über Funk informiert und sich einen Rat eingeholt hat, versteht der Busunternehmer nicht. Eigentlich sei der seit einem Jahr beschäftige Fahrer zuverlässig und gewissenhaft. Der Vorfall in der Böblinger Schwabstraße sei ein „einmaliges Vorkommnis“ in der Geschichte des Busunternehmens gewesen.

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Auch „bei den Johannitern in Baden-Württemberg ist dies der erste Vorfall dieser Art“, sagt Katharina Kallis, die Sprecherin der Johanniter im Land. Zum Glück – schließlich habe es zusätzlich Zeit gekostet, nach dem Rettungswagen zu suchen und ihn auf den ursprünglichen Platz zurückzufahren. Und „zu einer bestmöglichen Versorgung der Patienten gehört auch, zügig eine stationäre Anschlussversorgung zu ermöglichen“.

Warum melden sich keine weiteren Zeugen?

Pflieger hat Zweifel daran, dass sein Angestellter den Rettungswagen in 70 Meter Entfernung außer Sichtweite abgestellt hat. Der Busfahrer habe ein Skizze gezeichnet, die zeige, dass er den Rettungswagen unweit entfernt an den Straßenrand gestellt habe. „Vielleicht 15 Meter bis 20 Meter weiter.“ Rechtfertigen wolle Pflieger das Verhalten seines Fahrers damit nicht. „Er hätte nicht reinsitzen dürfen“, sagt er, und vermutet, dass der Vorfall zusätzlich „aufgebauscht“ worden sei.

Kallis geht auf die Entfernungsfrage nicht ein: „Für uns ist die tatsächliche Entfernung irrelevant. Tatsache ist, dass der Rettungswagen umgeparkt wurde und nicht mehr dort stand, wo ihn die Rettungskräfte abgestellt hatten“, sagt sie. Der Busunternehmer kann nicht nachvollziehen, warum sich nicht mehr Zeugen bei der Polizei melden, die Licht ins Dunkel bringen können. Der Linienbus sei schließlich gut besetzt gewesen und vor ihm habe eine Autofahrerin etwa eine halbe Stunde hinter dem Rettungswagen gewartet. „Warum unser Fahrer nicht versucht, sie ausfindig zu machen, verstehe ich nicht“, sagt Pflieger.