Begehrt: der Citroën 2CV Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Kindheitserinnerungen aus Blech, schnittige PS-Boliden und formschöne Altertümchen: Die Retro-Classics in der Stuttgarter Messe hat für jeden Geschmack die passende Karosse.

Stuttgart - Chrom blitzt, Lack glänzt, Kotflügel beschreiben formvollendete Kurven und Kanten. Blech gewordene Automobilgeschichte wirbt auf der Retro Classics in der Messe Stuttgart um Betrachter und Käufer. Rund 3500 Autos und Motorräder sind zu sehen. Der Markt boomt, der Andrang ist entsprechend: Tausende Besucher schlendern an den ersten Tagen an den Ständen entlang, schwärmen, feilschen und fachsimpeln. Noch bis Sonntag geht es hier rund.

„Immer mehr Menschen erkennen inzwischen nicht nur den finanziellen, sondern auch den ideellen Wert klassischer Fahrzeuge“, hat Karl Ulrich Herrmann, Initiator der Retro Classics, zum Auftakt der Messe deutlich gemacht. Schon seit Oktober 2016 sei die Fläche für die gewerbliche Fahrzeugverkaufsbörse ausgebucht gewesen. Allerdings gilt: Wo die Liebe hinfällt – da muss das Portemonnaie noch lange nicht mitspielen. Für Liebhaberstücke in guter Erhaltung müssen schnell mal 50 000 und mehr Euro auf den Tisch gelegt werden, auch sechsstellige Summen sind keine Seltenheit auf den Schildern hinter den Windschutzscheiben. Bei einigen wenigen Prachtstücken übersteigt der Preis sogar die Millionengrenze.

Oft werden Kindheitserinnerungen wach

Wer schon ein Schätzchen sein Eigen nennt, den zieht es oft zur Produktfamilie und zu den Ersatzteilen. Wer keines hat, schwelgt stattdessen oft in Kindheitserinnerungen. Da fallen Sätze wie: „Den hatten meine Eltern, aber in Silber. Wir haben damals bei den Urlaubsfahrten noch auf der Rückbank geschlafen.“ Selbst ein flügeltüriger Zeitreise-DeLorean nach der Spielfilmreihe „Zurück in die Zukunft“ findet sich in den Hallen – inclusive Zeittafel und Fluxkompensator.

Dass die Preise auf dem Oldtimer-Markt gestiegen sind, beobachten gleich mehrere Besucher. Als größter langfristiger Gewinner gilt laut Verband der Automobil-Industrie VDA der VW-Bus T2, auch bekannt als „Bulli“. Sein Vorgänger Bulli T1, der Flower-Power-Bus mit V-förmiger „Schnauze“, hatte es ja schon vorgemacht. Heute sieht man diesen oft in traumhafter Lackierung als Werbefahrzeug durch die Stadt rollen.

Der Bulli-T2 eifert dem V-Schnauzen-Bus nach

„Der T2 ist inzwischen auch schon bei 25 000 bis 35 000 Euro“, sagt Maurice Klok, Inhaber von Klieft & Klok Vintage Volkswagens in den Niederlanden. Sogar der T3, der eine deutlich eckigere Optik hat, habe mittlerweile im Preis angezogen. Der Fachmann warnt vor vermeintlichen Schnäppchen: „Was man beim Kaufpreis spart, muss man nicht selten später in Reparaturen stecken. Und das macht keinen Spaß.“ Er selbst nutzt die Bullys hin und wieder für seine Urlaubsreisen und schätzt das „entspannte Fahren“.

Obwohl der Markt boomt und die Oldies öfter auch als Geldanlage betrachtet werden, lassen sich noch immer Klassiker für um die 10 000 Euro finden. So ist der zweite Top-Gewinner laut VDA, der Citroën 2CV6 alias Ente, zwar merklich teurer geworden, aber schon noch hier und da für unter 15 000 Euro zu haben. Von der Entwicklung der Ente profitiere auch der Renault R4, berichtet Oliver Lang vom Stuttgarter R4-Freundeskreis. 8000 bis 9000 Euro würden gut erhaltene Fahrzeuge der damals günstigen Reihe inzwischen kosten. „Heute fährt man R4, weil man es sich leisten kann.“ Positiver Nebeneffekt der steigenden Preise: Die Ersatzteilpalette sei deutlich gewachsen. So könne man seit rund zwei Jahren wieder ein komplettes neues Fahrgestell kaufen.

Wem es auch für einen günstigen Oldie oder Newtimer nicht langt, der kann auf der Messe bis zum Sonntag wenigstens gründlich schwelgen und träumen. Und als Erinnerung ist dann vielleicht noch ein Miniatur-Auto drin. Die gibt es an einigen Ständen schon für ein bis zwei Euro.