Ein alter Opel weckt nur vorübergehend das Interesse der Zuschauer Foto: factum/Weise

Wie der Reifen auf die Felge hat die Automobilschau Retro Classics ins barocke Ambiente des Ludwigsburger Residenzschlosses gepasst. Manchen Besitzern sind ihre Blech- und Chromkarossen so lieb wie Kinder.

Ludwigsburg - Langsam knattert der Opel P 4 durch Torbögen und über Pflastersteine. Der Oldtimer ist beige-braun. Er passt mit seinem 30er-Jahre-Chique auf den Innenhof des Residenzschlosses wie der Reifen auf die Felge. Zwei junge Damen in weiß gepunkteten Kleidern schwirren um das Auto, präsentieren es den Besuchern. Auch sie wirken aus der Zeit gefallen, sie könnten auch in einer Bar 50er Jahre Rock’n’Roll tanzen. Moderator Wilfried Steer reichert die historische Schau mit Fakten und Anekdoten an. „Dieses Auto hat zur Mobilisierung in Deutschland beigetragen“, verrät er. Und: „Typischerweise gab es nur einen Scheibenwischer.“ Als der Fahrer eben jenen anschaltet, ergänzt Steer begeistert: „Der Wischer hat richtig Speed.“ Und ein Besucher ruft von der Seite: „Das Auto hat damals 680 Mark gekostet!“

Die Schau ist vom Blüba ins Schloss umgezogen

So ist das auf der „Retro Classics meets Barock“: Viele Besucher sind zugleich Oldtimer-Experten, und die Organisatoren sind selbst Fans und Sammler alter Autos. Am Wochenende fand die Ausstellung zum 14. Mal statt, davon zum zweiten Mal im Innenhof des Schlosses. Zuvor war sie im Garten den Blühenden Barocks, doch 2016 entschlossen sich die Oldtimer-Freunde, auf kleiner aber feiner zu setzen.

Nichtsdestrotz: mit mindestens 20 000 Besuchern rechnen die Organisatoren auch in diesem Jahr wieder, 100 historische Fahrzeuge sind auf dem Hof ausgestellt. Weitere 71 Oldtimer nehmen an der Sternfahrt teil, die die Retro Classics erstmals mit der Gesellschaft für Technische Überwachung organisiert – zur Sternfahrt gehört auch der braun-beige Opel. Weitere Highlights: eine Sonderschau zum 60. Geburtstags des Coupés Borgward Isabella, jede Menge französische Delage-Modelle, und die Ausfahrt „Retro Picknick au château“ – hier nehmen Fahrer in historischer Kleidung teil.

Ketchup sucht man vergeblich

Überhaupt: Ambiente und Atmosphäre spielen bei den Retro Classics meets Barock eine große Rolle. Natürlich stehen die Autos im Vordergrund, doch die Schau transportiert auch eine kräftige Portion Lebensgefühl, verstärkt vom ehrwürdigen Barockschloss. Zu Lack und Ledersitzen gesellen sich Luxus und ein Hauch von Laisser-Faire. An einem Stand wird ein Whirlpool ausgestellt, eine Sektflasche nebst Gläsern schwimmt auf einem Spezialtablett darin.

Es gibt weiße Panama-Hüte zu kaufen, die sich auf Köpfen in alten Autos ohne Verdeck einfach prächtig machen. Die rote Wurst ist kunstvoll aufgeschnitten, aber Ketchup gibt es dazu nicht. Mitten drin: die vier unermüdlichen Musiker der Classic-Jazz-Cooperation, die mal unter den Torbögen, mal neben den Autos spielen. Ihre Musik kommt aus Oboe, Trompete, Tuba und Banjo und weht leicht über den Schlosshof, selbst als sie davon singen, wie schnell man in Sommernächten sein Herz verlieren kann.

Zu schwärmen fällt den Besuchern hier leicht. So wie Thomas Niedermayer und Barbara Haist. „Autos mit solchen Formen werden heute nicht mehr hergestellt“, sagt der 57-Jährige. Dass die Retro Classics keinen Eintritt kostet, freut seine Begleiterin.

Qualitätsmerkmale müssen nachgewiesen werden

Sein Herz an Oldtimer verloren hat auch Karl Ulrich Herrmann schon vor vielen Jahren. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Retro Messen – die beispielsweise auch die Stuttgarter Oldtimerschau organisiert – und Vorsitzender des Vereins Retro Classic Cultur und damit auch Erfinder wie Hauptorganisator der Schau in Ludwigsburg. „Heute sind alle Autos gleich gebaut“, sagt er. Die Faszination an Oldtimern, zumal an jenen, die vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurden, dass kein Fahrzeug wie das andere gewesen sei. Hermann ergänzt, wie viel Wert die Organisatoren darauf legen, Fahrzeuge vor Ort zu haben, die den Standards der FIVA genügen, des Weltverbands der Oldtimerclubs. Die Besitzer preiswürdiger Autos müssen in Ludwigsburg nachweisen, woher ihr Fahrzeug stammt und dass es voller Originalbauteile steckt.

Gabrielle Jaeggy ist da entspannt. Sie sitzt vor dem Delage Type R, Baujahr 1911, den sie mit ihrem Mann und Jurymitglied Bernhard Jaeggy ausstellt. Das Ehepaar aus dem Elsass gewann 2004 mit diesem Oldtimer den ersten Best of-Award der Retro Classics meets Barock. „Mein Mann hat schon immer von Oldtimern geträumt“, erzählt die 75-Jährige. Mittlerweile haben sie sechs davon, berichtet sie. „Sie sind ein bisschen wie unsere Kinder.“