Michael Pernesch ist einer der neuen Betreiber vom Schellenturm. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Endlich wurde der Schellenturm im Bohnenviertel zu neuem Leben erweckt: Wir haben die Weinstube getestet.

Das Brot ist daumendick, die Käseplatte opulent, der Rostbraten eine Wucht. Es ist wirklich schön, dass hier an diesem historischen Ort wieder kulinarisches Leben eingezogen ist. Der Schellenturm, 1564 erbaut, ist eine Institution. Was haben diese dicken Gemäuer schon alles erlebt und mitgehört? Wie viele Stuttgarterinnen und Stuttgarter  sind  diese enge Treppe schon hinaufgestiegen? Seit 1980 wurde der Schellenturm gastronomisch genutzt, geschlossen war er seit 2020, als der langjährige Wirt und Koch Rudolf Reutter plötzlich verstarb.

Der erste Erfolg gibt den neuen Betreibern recht

Jetzt wurde das Kleinod am Rande des Bohnenviertels lange und sachte renoviert. Die Betreiber Michael Pernesch und Florian Kranich haben den Schellenturm neu eröffnet. Und der erste Erfolg gibt ihnen recht. Ohne Reservierung läuft fast nichts. Samstagabend, der Laden brummt. Was freuen sich die Stuttgarterinnen und Stuttgarter, hier wieder einzukehren! Schwäbisch ist es noch, aber durchaus modern interpretiert. Auf dem Teller wie im Glas hat man sich der Region verschrieben. Traditionell mit einem durchaus modischen Twist geht es hier zu. Schon die Getränke überzeugen: als Saisonbier (5 Euro) wird ein Schwabenbräu Urtyp mit hohem Stammwürzegehalt empfohlen, auch der Kessler Rosé Vintage ist ein guter Starter. Der Service hat viel zu tun an diesem Samstagabend, weiß aber die Wünsche der Gäste zu befriedigen. Hier ein Schmalztöpfle, dort die Brettle mit Speck und Schinken. Dazu trinken Kenner Württemberger – von der Weinmanufaktur Untertürkheim über Ellwanger und Aldinger bis Zimmerle. Und selbst bei einer nichtalkoholischen Wahl, ist man mit einem Prisecco aus der Manufaktur Jörg Geiger bestens versorgt.

Alles ist sehr großzügig bemessen

Eine Warnung aber vorweg: Die Hauptgerichte von Küchenchef Martin Laske und seinem Team sind so üppig, dass man sich durchaus mit den Vorspeisen „verlupfen“ kann. So ist das Käsbrettle (12 Euro) so großzügig, liebevoll blumig angerichtet und gut, dass man sich zurückhalten muss. Auf der Saisonkarte gibt es einen Rehschmortopf (28 Euro) mit einem rezenten Waldpilzrahmsößle und Waldpilzragout und massig Spätzle (plus Salat dazu). Das ist wirklich topp, auch wenn die vielen Nüsse darin eine Geschmacksfrage sind. Ja, hier werden schwäbische Klassiker neu interpretiert. Der exzellente Rostbraten (30 Euro, mit Bratkartoffeln oder Spätzle) ist ein gutes Beispiel: Das Fleisch ist von der Staufenfleisch Färse, mit Fettrand gebraten. Auf den geschmälzten Zwiebeln türmen sich noch ein paar frittierte Karottenstreifen. Ein Zeichen des Zeitgeists, das vielleicht nicht jeder braucht. Aber glücklich werden sie hier alle: auch die Vegetarier und Süßmäuse. Der Apfelstrudel ist das einzige Dessert – und phänomenal gut. Ja, es ist eine Freude, dass der Schellenturm wieder kulinarisch bespielt wird.

Service

Schellenturm Weberstraße 72, Stuttgart, Telefon 07 11 / 30 00 57 52. Öffnungszeiten: Di bis Sa ab 16 Uhr. www.schellenturm-stuttgart.de

Bewertung

Küche: 4 Sterne; Service: 4 Sterne; Ambiente: 5 Sterne

***** = herausragend, ****= überdurchschnittlich, *** = gut, **= Luft nach oben, * = viel zu verbessern