Bunter Vogel: der Fasan in der historischen Umgebung auf dem Fasanenhof. Foto: Leif Piechowski

Fasan stand bei Klaus Lorenz nie auf der Speisekarte. Obwohl der Hühnervogel mit stolzer Schwanzfeder das Signet seines Restaurants Fasanenhof im gleichnamigen Stadtteil zierte. Jetzt tummeln sich hier sechs Exemplare höchst lebendig in einer Voliere. Gepflegt vom ehemaligen Gastronomen.

Stuttgart - Es scheint, als hätten die Tiere schon auf ihn gewartet. Vor allem die zwei braunen Ohrfasane (Crossoptilon mantchuricum), die ihren Namen von den lustig aussehenden weißen Federbüscheln rund um das rote Köpfchen haben, flattern erwartungsvoll zur Tür der Voliere, als Klaus Lorenz dort wie jeden Tag auftaucht. Nicht nur, weil er ihnen gleich ihre Lieblingsdelikatesse servieren wird, eine Mischung aus getrockneten Mehlwürmern, Gerste, Mais und Hirse. Sondern weil dann ein Ausflug ins Freie lockt. Während die vier kleineren und sehr scheuen Artgenossen der verwandten Rasse Edelfasan (Phasanius torquatus pallasi) lieber im geschützten Gehege bleiben, stolzieren die beiden anderen, Hahn und Henne, neugierig hinaus in den Schnee und erkunden die nahe Umgebung. Kommen sie auch wieder zurück? „Bisher hat es immer geklappt“, lacht Lorenz. Und wirklich: Gelockt vom Futter, laufen sie ihm brav wie Hündchen hinterher und zurück in den Stall.

„Das wollte ich sehen: Zum ersten Mal seit 200 Jahren hier wieder Fasanen auf freier Wildbahn“, staunt Günther Joachimsthaler, der Vorsitzende des Bürgervereins Fasanenhof. Denn genau hier, wo jetzt die Voliere auf dem Gelände der Stadtgärtnerei steht, hatte Herzog Eberhard Ludwig von Wirtemberg anno 1730 eine Fasanerie angelegt, die von Herzog Carl Eugen und seiner Frau Franziska von Hohenheim noch erweitert wurde. Zum Vergnügen höfischer Jagdgesellschaften und zur Bereicherung der herzoglichen Tafel. Zubereitet wohl nicht viel anders als heute: Gefüllt mit einer Farce, gebraten, gern auch als Pastete. Zeitweise sollen 98 Gold-und 194 Silberfasane den Nachschub für die Hofküche gesichert haben. Ein Fasanenmeister war für die Tiere verantwortlich. Als begeisterter Bauherr ließ Carl Eugen 1783 auch noch ein Lustschlösschen mit großer Gartenanlage errichten. Eigentlich, weiß die Historie, nur ein schlichtes zweigeschossiges Wohnhaus. Im oberen Stock logierten Herzogs, die untere Etage diente im Winter den Fasanen als Stall. Der Fasanenhof, wie Carl Eugen und seine Franziska das ganze Anwesen genannt haben, stand 200 Jahre später Pate für den Namen des Neubaugebietes, das zwischen 1960 und 1965 auf 78 Hektar für damals rund 10 000 Bewohner entstand. Die Stadt hatte das Gelände schon 1940 mit ähnlichen Ambitionen von der Königlichen Hofkammer gekauft.

Fasan sollte nicht länger nur ein Dasein als Signet fristen

„Heute sind Fasanerie und Lustschloss verschwunden“, schrieb 1986 der damalige OB Manfred Rommel in der Festschrift zum 25-jährigen Bestehen des Fasanenhofs. Ob alle Bewohner wussten, an welche Tradition der Name ihres Wohngebietes anknüpfen wollte, darf bezweifelt werden. Das müsse sich ändern, begeisterten sich vor elf Jahren Iris Ripsam, CDU-Stadträtin und Fasanenhof-Bewohnerin, und Klaus Lorenz für die Idee, dass der Fasan nicht länger nur ein Dasein als Signet fristen sollte. In einer Fasanerie wie zu feudalen Zeiten, denn „was Könige und Herzöge konnten, das können engagierte Bürger auch“, sagt Klaus Lorenz. Elf dieser engagierten Bürger trafen sich am 17. Dezember 2001, um den Verein Fasanerie Fasanenhof zu gründen.

Das Ei war gelegt, das Ausbrüten dauerte etwas länger. Nicht nur, weil der Bezirksbeirat hartleibig erst nach mehreren Anläufen zustimmte. „Ohne einen finanziellen Grundstock von 1000 Euro fangen wir gar nicht erst an“, hatte Iris Ripsam die Parole ausgegeben. Aber zum 50-jährigen Bestehen des Fasanenhofs wollte man an historischer Stelle schon etwas vorweisen können. Und tatsächlich: Rechtzeitig im Jubiläumsjahr 2011 wurden dank Zuschüssen und Spenden im Dezember die ersten drei Edelfasanen beim Wäldle eingesetzt.

Sinnen auf Expansion

6500 Euro wurden bisher in das Projekt investiert. Doch schon sinnt der auf 61 Mitglieder angewachsene Verein auf Expansion: „Die Hennen haben im letzten Jahr zwar Eier gelegt, aber nicht ausgebrütet, weil sie offenbar dafür einen Rückzugsraum brauchen“, erklärt Lorenz. „Da wir Nachwuchs wollen, muss die Voliere vergrößert werden“, bekräftigt Iris Ripsam, die auf weitere Vereinsmitglieder (12 Euro Jahresbeitrag) hofft. Denn insgeheim träumt sie sogar vom Wiedererstehen des Lustschlösschens.

Fasanen-Gucken ist ein beliebtes Ausflugsziel geworden, eine Bank samt Informationstafel laden dazu ein. Und den Vögeln geht es besser als zu Herzogs Zeiten: Niemand trachtet ihnen nach dem Leben, es droht kein Ende in Pfanne und Kochtopf. „Die Brust ist zwar genießbar, aber sehr trocken, und die Keule besteht fast nur aus Sehnen“, verrät Klaus Lorenz.