Leitet das Tübinger Ärzteteam: die Gynäkologin Sara Brucker. An ihrer Seite der Transplantationsmediziner Alfred Königsrainer. Foto: dpa

Erstmals haben in Deutschland zwei Frauen entbunden, denen zuvor im Rahmen einer Lebendspende Gebärmuttern eingepflanzt worden waren – ihre Mütter stellten ihnen das Organ zur Verfügung. Das Verfahren ist medizinethisch nicht unumstritten.

Tübingen - Die Babys kamen im März und Anfang Mai gesund in Tübingen zur Welt. Ihre Mütter, die wegen einer angeborenen Fehlbildung keinen eigenen Uterus haben, sind ebenfalls wohlauf. Inklusive der Tübinger Kinder kamen weltweit bisher erst 17 Mädchen und Jungen nach vorheriger Gebärmutter-Transplantation zur Welt. Der Eingriff gelang 2013 erstmals in Schweden, seither wurden etwa 60 solcher Transplantationen im Rahmen von Lebendspenden durchgeführt. In Tübingen hatten 2016 jeweils die Mütter ihren Töchtern das Organ zur Verfügung gestellt.

Sara Brucker, die leitende Frauenärztin des Projekts, sagte unsere Zeitung, dass nach der bereits im Januar erfolgten dritten Transplantation im laufenden Jahr noch zwei weitere Eingriffe an der Universitätsfrauenklinik in Tübingen geplant seien. Insgesamt fünf Transplantationen wurden Brucker von den Ärztekammern im Land und im Bund sowie von den zuständigen Organspendekommissionen als sogenannte Heilversuche genehmigt.

Leihmutterschaft als Alternative – in Deutschland verboten

Da eine Leihmutterschaft in Deutschland verboten ist, stellt die Uterus-Transplantation für Frauen, die ohne Scheide und Gebärmutter geboren werden, die einzige Möglichkeit dar, ein biologisch eigenes Kind zu bekommen. Die Tübinger Mütter hatten bereits vor rund zehn Jahren per Operation zunächst eine Scheide erhalten. 2016 erfolgte dann die Transplantation. „Für mich ist die Uterus-Transplantation der logische zweite Schritt, den Frauen zu helfen“, so Brucker.

Pro Jahr kommen 60 bis 80 Mädchen in Deutschland mit der genannten Fehlbildung (Uterus- und Vaginalaplasie, auch Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom, MRKH) zur Welt. Derzeit sind 9000 Frauen aller Altersgruppen betroffen. Etwa 250 von ihnen hat Brucker untersucht. Die Gynäkologin erwartet, dass nur etwa fünf bis zehn Prozent von ihnen für eine Transplantation im Rahmen einer Lebendspende in Frage kommen. Die Kosten betragen rund 50 000 Euro. Für die fünf Tübinger Heilversuche springen Krankenkassen auf freiwilliger Basis ein. Die Uniklinik Tübingen strebt an, vom Sozialministerium in Stuttgart als Uterus-Transplantationszentrum anerkannt zu werden.

Brucker sieht das MRKH-Syndrom als eine schwer wiegende Erkrankung, damit falle sie unter das Transplantationsgesetz. „Die Frauen leiden psychisch, weil Ihnen ein für die Weiblichkeit zentrales Organ fehlt“, sagte sie. „Wir können und sollten ihnen als Mediziner helfen.“ Der Tübinger Medizinethiker Urban Wiesing stimmte dem zu. „Ich persönlich glaube, dass es keine kategorischen Argumente gegen Uterus-Transplantationen gibt, wenn diese mit der gebotenen Vorsicht und Expertise durchgeführt werden“, sagte er.

Medizinethiker sind sich nicht einig

Die Freiburger Medizinethikerin Claudia Bozzaro dagegen erklärte, dass die Unfruchtbarkeit der Frauen keine lebensbedrohliche Erkrankung darstelle. Angesichts der gesundheitlichen Risiken für die Organspenderinnen halte sie die Uterus-Transplantation „für ein nicht-verhältnismäßiges Mittel, einer Frau eine Schwangerschaft zu ermöglichen“.

Wolfgang Miller, Präsident der Ärztekammer Baden-Württemberg, beglückwünschte die beiden jungen Mütter, die in Tübingen entbunden haben. Er schloss auch die Tübinger Ärzte ein, richtete aber zugleich mahnende Worte an die Mediziner. Die Uterustransplantation als Maßnahme an der Schnittstelle von Reproduktionsmedizin und Transplantationsmedizin greife „unmittelbar in die Frage ein, wie wir mit dem Geschenk des Lebens umgehen“. Dies erfordere einerseits ein sehr behutsames verantwortungsvolles Vorgehen der Betroffenen und ihrer Ärzte, andererseits aber auch eine gesellschaftliche Diskussion über das Thema. „Hier sind wir erst ganz am Anfang“, sagte Miller.