Proteste in Hongkong 2019 gegen gegen die Peking-nahe Regierung begannen friedlich, doch dann eskalierten sie. Foto: dpa/Kin Cheung

In Fellbach ist der renommierte Hansel-Mieth-Preis verliehen worden. Die Siegerreportage dreht sich um die Aufstände 2019 in Hongkong. Aus Furcht vor Repressalien möchte der Preisträger anonym bleiben.

Fellbach - Der Kampf der Kakerlaken gegen die Hunde wurde immer gewalttätiger. Der friedliche Protest von tausenden Bürgern in Hongkong im Jahr 2019 gegen die chinesische Politik wandelte sich, Hass und Zerstörungen bestimmten zunehmend das Bild. Als Hunde bezeichneten die Protestanten die Polizei, als Kakerlaken wiederum wurden die Protestler von Andersdenkenden und den Behörden beschimpft.

Ein „Geo“-Reporter, selbst in Hongkong geboren, hat den Studenten Ming auf seinem Weg vom friedlichen Demonstrieren zur Radikalisierung dokumentiert. „Ich will die Wahrheit finden, auch wenn die Wahrheit nicht das ist, was ich mir wünsche“, sagte der mit dem 23. Hansel-Mieth-Preis ausgezeichnete Journalist am Donnerstag in Fellbach. Aus Furcht vor Repressalien möchte er aber anonym bleiben.

Der Autor stößt bei den Recherchen an seine Grenzen

Die Schauspielerin und Regisseurin Barbara Stoll trug seine Reportage vor. Gegenspielerin des Revoluzzers Ming in „Die Kolonie der Kämpfer“ ist die junge Lynn: „Die Menschen in Hongkong genießen so viel Reichtum und Freiheit, trotzdem schwenken sie ausländische Flaggen, betteln um internationale Unterstützung und spielen ständig das Opfer. Ich schäme mich.“ Sie liebe China nicht, sagt Lynn. „Aber diese Kakerlaken finde ich schlimmer als die Kommunistische Partei. Sie behaupten, dass sie für die Demokratie kämpfen, aber sie verprügeln Leute mit anderen Ansichten.“

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Für seine feinfühlige, höchst dramatische und sich ganz anders als vermutet entwickelnde Reportage nahm der Reporter die Auszeichnung entgegen. In seiner Laudatio erläuterte der „Zeit“-Journalist Jonas Wresch die Hintergründe der Siegerreportage. Der nun geehrte Autor befasse sich überwiegend mit Langzeitprojekten, drei Monate habe er für seine Recherchen in Hongkong verbracht. „Als die Aktionen immer gewalttätiger wurden, stieß er an seine Grenzen. Er geriet in Gefahr, als Komplize der Radikalen zu erscheinen“, sagte Wresch. In vielen Ländern arbeiteten Journalisten in ständiger Furcht. „Alleine in China sitzen 75 Medienvertreter in Haft“, sagte Jonas Wresch.

Eine ausgezeichnete Reportage widmet sich Folgen von Corona

Frank Thomsen, Verleger bei Gruner und Jahr, referierte unter der Überschrift „Wie arbeiten heute Redaktionen und Verleger zusammen?“ über das einst eher angespannte Verhältnis zwischen Verlagsleitung und Redaktion. Das Internet habe die beiden Seiten inzwischen wieder zusammen gebracht: Man ziehe nun an einem Strang, weil es gelte, sowohl Anzeigenkunden als auch Leser bei der Stange zu halten.

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Die zwei weiteren Hansel-Mieth-Preisträger 2021 sind Stephan Lucka, der in seiner Reportage „Eine andere Welt“ für den „Stern“ das beglückende Gefühl von Gemeinschaft bei jungen Pfadfindern erlebte und Matthias Stolz, der für das „Zeit“-Magazin in „Kampf um Zärtlichkeit“ ein 65 Jahre lang verheiratetes Paar Mitte 80 begleitet, das durch die Coronapandemie getrennt wurde: Mercedes lebt im Pflegeheim und ihr Mann Hans „dreißig Meter Luftlinie entfernt“ im betreuten Wohnen. Er darf sie plötzlich nicht mehr besuchen.

Hansel Mieth hat Fellbach 21-jährig den Rücken gekehrt. Sie schlug sich im Amerika der 1930er Jahre durch und machte als Pressefotografin Karriere. Ihre Kindheit in Armut spornte sie zu sozialkritischen Reportagen an. Mit dem nach ihr benannten Preis werden engagierte Reportagen ausgezeichnet.