Der Esslinger Rennstall simuliert gerade die aerodynamischen Eigenschaften des neuen Stallardo 2020. Foto: Horst Rudel

Esslingens einzige Rennwagenschmiede tüftelt an einem neuen Projekt: Am Computer nimmt der „Stallardo 2020“ Gestalt an. Der Rennwagen der Ho chschule soll leichter und zuverlässiger werden als sein Vorgänger.

Esslingen - Der neue Stallardo ist noch grau und etwas schemenhaft, denn er existiert bislang nur im Prozessor des Computers. Kai Tietz, 22, der zusammen mit Jannik Bauer, 23, das Rennstall-Team der Hochschule Esslingen leitet, dreht an der Animation. Er zeigt, welche Teile schon welchen Raum beanspruchen, auch wenn sie noch nicht gefertigt sind. Vor allem wollen die Studenten ihren neuen Rennwagen leichter machen als seinen Vorgänger. Ein Vorhaben, das dem zweiten Konstruktionsziel der Saison etwas widerspricht: Sie wollen den Rennwagen auch zuverlässiger machen.

Zuverlässiger heißt, dass nicht jedes Teil am Limit konstruiert ist und damit auch nicht so schnell ausfällt. Doch alles, was robuster konstruiert wird, ist auch wieder schwerer.

Die Hürden liegen hoch

Die Hürden liegen hoch. Sehr hoch sogar. Der Vorgänger des Rennwagens „Stallardo“ 2020, das 2019er Modell, hatte den Wettbewerb auf dem Hockenheimring gewonnen, der wichtigste in der Formula Student in Europa. Damit hatte im vergangenen Sommer der ausschließlich von Esslinger Studenten konstruierte, gebaute, getestete und gefahrene Rennwagen die höchsten Weihen errungen, die man in Deutschland erreichen kann. Und mit ihm natürlich die Hochschule selbst. Jetzt will der Rennstall auch diesen Rekord-Wagen noch einmal verbessern.

Nur ein dreiviertel Jahr haben die Studenten Zeit, ein Auto zu bauen. Im Oktober haben sie ein neues Team rekrutiert und die Veränderungen zum Vorgängerfahrzeug festgelegt. Noch immer gilt, dass sich nicht alles berechnen lässt. Vor allem nicht bei den hochdynamischen Kräften, denen ein Rennfahrzeug ausgesetzt ist, und auch der Satz von Kai Tietz hört sich sehr einleuchtend an: „Wenn man am Limit konstruiert, dann kann auch mal ein Teil ausfallen.“

Auffällig ist der große, vielflächige Heckflügel des Fahrzeugs. Weil es mit relativ geringer Geschwindigkeit fährt, und weil die Teststrecken sehr kurvig sind, kommt es weniger auf Endgeschwindigkeit als auf das Kurvenverhalten an. Deswegen sind Bauteile wichtig, die das Auto nach unten drücken für eine bessere Bodenhaftung.

Das Material ist super leicht und extrem belastbar

Schon der Stallardo 2019 war hoch-ökologisch, denn er fuhr mit 85 Prozent Bio-Ethanol. In beiden Konstruktionen ist der Motor nicht wie beim Straßenauto auf Gummi gelagert, sondern fest mit einem Gitterrohrrahmen verschraubt, was bedeutet, dass das Fahrzeug eine höhere Belastung durch Vibrationen erleidet. Der Gitterrohrrahmen ist mit einem Monocoque verschraubt, das Platz für den Fahrer und die Vorderachse bietet. Es besteht aus Aluminiumwaben, die mit Kohlenstofffasern beschichtet sind. Das Material ist super leicht und extrem belastbar. Mit diesen Hightech-Materialien kommt es, dass die Hülle um den Fahrer herum lediglich 16 Kilo wiegt, schon der Vorgänger-Stallardo kam nur auf rund 204 Kilo insgesamt. Während der Stallardo mit 120 Stundenkilometern Höchstgeschwindigkeit gemessen an herkömmlichen Straßenautos ein eher langsames Fahrzeug ist, ist das Entwicklungstempo mörderisch.

35 Studenten arbeiten an einem Stallardo

Der Rennstall muss das Auto nicht nur in einem Jahr konstruieren und bauen, sondern auch promoten und mithilfe von Sponsoren finanzieren. Sogar ein hypothetischer Vermarktungsplan wird bei der Formula Student gefordert. 35 Studenten arbeiten am neuen Stallardo, im Kernteam sind es zehn, die in den Hochphasen des Autobaus um 6.30 Uhr aufstehen und bis Mitternacht schuften. Auf die berechtigte Frage, wann das Team eigentlich Zeit hat fürs Studium, antworten die Studenten mit verhaltenem Gelächter. „Natürlich merkt man es an den Noten und an der Studiendauer, wenn man zum Kernteam des Stallardo gehört“, sagt Jannik Bauer.

Was man im Projekt lernt, da sind sich die Studenten sicher, ist unbezahlbar und während einer reinen Vorlesung nicht zu vermitteln: Teamgeist, Kreativität und die praktische Anwendung von Technik. An Weihnachten muss der Entwurf fertig sein, voraussichtlich Ende April wird der Stallardo 2020 zum ersten Mal auf den Rädern stehen. Im Juli und August muss er bei den internationalen Wettkämpfen zeigen, was er drauf hat.