Die Zecke: ein kleines, mitunter aber gefährliches Tier Foto: dpa-Zentralbild

Im Rems-Murr-Kreis ist die Gefahr relativ hoch, sich über einen Zeckenbiss mit Borelliose oder FSME zu infizieren. Doch für wen lohnt sich eine Impfung, und wie lässt sich noch vorsorgen?

Rems-Murr-Kreis - Die Frühlingssonne lacht, das Matschgrau des verkorksten Winters weicht immer mehr saftigem Grün. Für viele beginnt jetzt die Zeit der ausgedehnten Spaziergänge in der Natur – für andere die des Blutsaugens. In Wäldern, Gärten und Wiesen warten Zecken auf einen tierischen oder menschlichen Wirt, an dem sie sich festsaugen können.

Der Stich einer Zecke ist nicht schmerzhaft und eigentlich kein Problem, wären da nicht die Krankheiten, die die Tierchen übertragen können: Deutschlandweit trägt rund ein Viertel aller Zecken irgendeinen Erreger in sich. Am bekanntesten sind davon vor allem die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) und die Borreliose. Erstere kommt schwerpunktmäßig in Süddeutschland vor, letztere ist in ganz Deutschland verbreitet. Doch im Rems-Murr-Kreis ist die Gefahr, sich mit Borreliose anzustecken, höher als an vielen anderen Orten. Dem Gesundheitsamt des Landkreises liegen zwar keine Zahlen vor, da die Borreliose keine meldepflichtige Krankheit ist. Doch allein unter den Versicherten der AOK im Kreis ist die Zahl der Infektionen in den Jahren 2008 bis 2014 von 377 auf 508 angestiegen.

„Das ist mit Blick auf alle Landkreise in Baden-Württemberg die fünfthöchste Steigerungsrate“, heißt es in einer Mitteilung der Krankenversicherung. Die Zahlen der AOK gelten wegen des großen Marktanteils der Kasse von gut 40 Prozent als repräsentativ für die gesamte Bevölkerung. Auch das Robert-Koch-Institut hat den Landkreis zum Borreliose-Hochrisikogebiet erklärt.

Borreliose lässt sich mit Antibiotika behandeln

Eine Borreliose wird zwar oft erst nach Monaten erkannt, lässt sich dann jedoch mit Antibiotika behandeln. Die FSME dagegen lässt sich nicht behandeln, nur gegen Symptome wie Fieber oder Kopfschmerzen lässt sich etwas tun. Die AOK und auch der Leutenbacher Arzt Markus Schuler, Vorsitzender der Ärzteschaft Waiblingen, raten den Menschen, sich gegen FSME impfen zu lassen – zumindest dann, wenn sie sich öfters in der freien Natur aufhalten. „Der aktuelle Impfstoff ist wesentlich besser als noch vor einigen Jahren“, sagt Schuler. Heftige Impfreaktionen seien inzwischen seltener. Die Gefahr, sich mit FSME zu infizieren, sei zwar recht gering. „Aber vor ein paar Jahren hatten wir auch schon einen Todesfall durch die Krankheit.“ Bei Kindern unter drei Jahren muss laut dem Robert-Koch-Institut gut abgewogen werden, ob sich die Impfung lohnt. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit, nach der Impfung Fieber zu bekommen, höher, während eine FSME-Erkrankung bei ihnen meist weniger schwer verläuft als bei Erwachsenen. Aber gleichzeitig sind Kinder durch ihr Spiel im Freien auch gefährdeter, von einer Zecke gestochen zu werden. „Ob Kleinkinder gegen FSME geimpft werden, überlasse ich immer den Eltern“, meint Schuler. In der Regel fange er erst bei Patienten ab vier Jahren mit der Immunisierung an.

Die beste Vorsorge ist es ohnehin, eine Zecke gar nicht erst zum Stich kommen zu lassen. Die AOK-Ärztin Sabine Knapstein empfiehlt, bei Spaziergängen durch Wiesen und Wälder lange Hosen und langärmelige T-Shirts zu tragen. Auch Schuhe mit hohem Schaft können ihren Träger schützen. Auf dem Markt gibt es außerdem Zeckensprays, die lästige Blutsauger für rund zwei Stunden abhalten können. Angst, eine Zecke könne von oben kommen, muss man aber nicht haben: Entgegen landläufiger Meinung lassen sich die Tiere nicht von Bäumen fallen, sondern von Gräsern und Blättern abstreifen.

Zecken haben Lieblings-Körperstellen zum Blutsaugen

Nicht alle Menschen sind gleichermaßen gefährdet, von einer Zecke gestochen zu werden. „Manche trifft es häufiger als andere“, weiß Markus Schuler. Der Grund dafür sei der von Mensch zu Mensch unterschiedliche Körpergeruch. „Ein Ehepaar kommt seit Jahren zu mir, wenn es sich bei der Arbeit im Stückle Zecken geholt hat. Er kommt bestimmt fünf bis zehn Mal pro Jahr – sie dagegen nur einmal.“

Zecken sind nicht nur wählerisch, wenn es um den Duft ihres Wirts geht: Sie haben auch Lieblings-Körperstellen zum Blutsaugen. Am liebsten stechen sie in die weiche Haut an Kopf, Ohren, Hals, Arm- und Kniebeugen. Um dorthin zu gelangen, sind sie oft eine ganze Weile unterwegs – die Chance also, sie nach der Rückkehr vom Spaziergang zu suchen und abzunehmen.

Der Zeckenstich an sich bleibt oft unbemerkt, da die Tiere ein Betäubungsmittel absondern. Hat sich ein Parasit schon festgesaugt, lässt sie sich am besten mit einer Pinzette herausziehen. Die Wunde sollte im Anschluss desinfiziert werden. Keinesfalls sollte der Parasit mit Öl, Alkohol oder Klebstoff betupft werden: Das finden Zecken buchstäblich zum Erbrechen, was die Gefahr einer Infektion erhöht.

Krankheiten durch Zeckenstich

FSME
Zwei Drittel der von Frühsommer-Meningoenzephalitis (kurz FSME) Betroffenen zeigen sich beschwerdefrei. Nur ein Drittel zeigt Symptome wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Bei einigen kann die Krankheit allerdings einen schweren Verlauf nehmen – mit Hirnhautentzündung, Bewusstseinsstörungen und Lähmungserscheinungen. Folgeschäden sind bei den schweren Formen nicht selten. Jedes Jahr stirbt in Deutschland im Schnitt etwa ein Mensch an FSME. Zum Vergleich: An den Folgen einer Grippe sterben bundesweit jährlich mehrere tausend Menschen, vor allem Ältere.

Borreliose wird durch Bakterien der Gattung Borrelia ausgelöst. Die bekannteste Form ist die Lyme-Borreliose. Im Gegensatz zur FSME gibt es gegen Borreliose keine Impfung, die Krankheit kann aber mit Antibiotika therapiert werden. Typisches Symptom ist ein ringförmiger roter Fleck um den Zeckenstich, oft leiden Betroffene auch unter Fieber und allgemeinem Unbehagen.

Wenn Bello ungebetene Gäste ins Haus bringt

Ob ihr Wirt zwei oder vier Beine hat, ist Zecken ziemlich egal. Die meisten Hunde- und Katzenbesitzer können ein Lied davon singen: Nach einem Spaziergang finden sie die Parasiten oft festgesaugt an der Haut ihres Lieblings. Das ist erstens lästig – und kann zweitens für das Haustier unangenehme Folgen haben. Denn vor allem Hunde sind nicht gegen Borreliose und FSME gefeit.

Die Weinstädter Tierärztin Eva Röhrig hat über das Thema „Vektorübertragene Krankheiten beim Hund“ promoviert und kennt sich daher mit den Krankheiten, die Zecken und Fliegen übertragen können, besonders gut aus. Katzen, erklärt sie, seien von dem Thema weit weniger betroffen. „Beim Hund spielt vor allem die Borreliose eine Rolle.“ Wegen des Fells ist die typische Hautrötung jedoch oft schwer zu entdecken, andere Symptome können auch erst nach Monaten auftreten. Für Bello und Co gibt es – anders als für Menschen – einen Borreliose-Impfstoff. Der hat jedoch einen Haken: „Er verringert zwar das Risiko einer Infektion, deckt aber nicht alle Borrelienstämme ab“, erklärt Röhrig.

Die Ärztin schwört auf Zeckenhalsbänder

Wirksamer sei daher der richtige Zeckenschutz. Den gibt es in mannigfacher Form zu kaufen, etwa als Kokosöl. „Dessen Wirksamkeit ist aber nie bewiesen worden“, so die Veterinärin. Sie schwört eher auf Zeckenhalsbänder, die einen Wirkstoff abgeben, oder auf sogenannte Spot-On-Präparate, die Hund oder Katze auf den Nacken geträufelt werden. „Es gibt jetzt auch Tabletten, die für drei Monate wirken.“ Der Zeckenschutz und das Entfernen der Parasiten seien auch aus einem anderen Grund wichtig: Die Krabbeltiere könnten, wenn sie einmal im Wohnzimmer angekommen sind, auch zum menschlichen Wirt wechseln.

Bei Hunden und Pferden ist auch eine FSME-Infektion möglich, die zu einem großen Anteil schwer verläuft. Doch die Tierärztin kann beruhigen: „FSME kommt bei Tieren nur äußerst selten vor, bei Katzen gar nicht.“

Mittelmeerkrankheiten, die von Zecken übertragen werden

Andere Krankheiten spielen bei den Haustieren dagegen eine größere Rolle – etwa die Anaplasmose, die vom Gemeinen Holzbock auch auf Menschen übertragen werden kann. Auch andere Diagnosen, die früher kaum eine Rolle gespielt haben, geraten neuerdings ins Blickfeld der Veterinäre. „Viele Mittelmeerkrankheiten, die von Zecken übertragen werden, gelangen durch den Klimawandel verstärkt zu uns“, sagt Röhrig.

Sie nennt als Beispiel die Babesiose, die auch „Hundemalaria“ genannt wird. Sie greift die roten Blutkörperchen an und kann tödlich verlaufen. Sie wird von der Auwaldzecke zunehmend auch in Deutschland übertragen. „In unserer Praxis kommt die Babesiose vor allem bei Importhunden vor“, sagt Röhrig. Ähnliches gelte für die Ehrlichiose: Sie stammt ebenfalls aus dem Mittelmeerraum und wird unter anderem durch die Braune Hundezecke übertragen.