Vor Corona: Kinder in der Bewegungslandschaft des SV Fellbach. Foto: Eva Herschmann

Die Sportvereine im Rems-Murr-Kreis kämpfen im zweiten Corona-Lockdown um ihre Mitglieder – und gegen den Frust. Außer Reha- und Spitzensport geht seit dem November gar nichts.

Rems-Murr-Kreis - Der zweite Lockdown trifft die Sportvereine nach der kurzen Erholungspause im Sommer ganz besonders hart. Außer Reha- und Spitzensport geht seit November gar nichts. Vor allem leiden darunter diejenigen, die nicht nur Abteilungen, sondern auch Sportvereinszentren besitzen. Diese liegen seit Monaten nahezu verwaist da und dienen vielleicht noch als Kulisse für Videodrehs und Live-Streams fürs Internet.

„Es ist ziemlich einsam hier“, sagt Patrick Entreß, der Leiter des Sportpunkts der Spvgg Rommelshausen. Erst Anfang 2019 hat das Sportvereinszentrum an der Stettener Straße in Rommelshausen eröffnet, mit großem Fitnessbereich und vielen Kursräumen. Doch an Geräten und Gewichten trainiert niemand Ausdauer und Muskeln. Außer Reha-Kurse für Wirbelsäulen, Hüften oder Knie finden in dem großen Haus keine sportlichen Aktivitäten statt. „Wir ziehen deshalb seit November keine Beiträge mehr ein.

SG Schorndorf: Mitgliederzahl geht um 13 Prozent zurück

Dennoch haben wir an die 75 Kündigungen bekommen, das sind rund neun Prozent der Mitglieder.“ Der Sportpunkt sei eben noch kein gestandenes Studio, das auf langjährige Treue bauen könne, erklärt Patrick Entreß. „Aber ich denke, wer uns bis jetzt die Stange gehalten hat, der bleibt vollends bis zum Ende des Lockdowns, das hoffentlich spätestens im April ist.“ Aber Spaß, so der 34-jährige Gesundheitsmanager, mache ihm sein Job zurzeit nicht, und seinem Mitarbeiterteam, egal ob haupt- oder ehrenamtlich, gehe es genauso.

Eine gewisse Müdigkeit hat auch Benjamin Wahl, der geschäftsführende Vorstand der SG Schorndorf, registriert. „Wir haben seit März 2020 im gesamten Verein einen Mitgliederrückgang von etwa 13 Prozent. Und mit jedem weiteren Monat verlieren wir 20 Studio-Nutzer.“ Problematisch sei, dass es in der derzeitigen Situation unmöglich, gar unmoralisch sei, neue Mitglieder zu werben. „Das gilt nicht nur für unser Studio, sondern auch für die Abteilungen.“ So oder so, Corona werde den Verein „um zwei, drei Jahre zurückwerfen“, ist der Geschäftsführer überzeugt. Trotzdem verzichtet die SG im 2015 eröffneten Ulrich Schatz-Sportzentrum auf Reha-Sport als Präsenzveranstaltung.

Der TSV Schmiden bietet reine Online-Mitgliedschaften an

„Wir glauben, dass es unklug wäre, ausgerechnet Menschen der Risikogruppe zu versammeln“, sagt Wahl. Von dieser Woche an werde es aber Reha-Kurse im Internet geben. „Öffentlich für alle über unsere Facebook-Seite und Youtube, wo unsere Abonnentenzahl in einem Jahr von drei auf 460 gewachsen ist.“ Gewachsen sind auch die Geldsorgen. „Wir tilgen gerade richtig viel für das Sportvereinszentrum, mussten im ersten Lockdown mit Raten aussetzen, das wird uns wohl wieder blühen.“ Und die 175-Jahr-Feier der SG Schorndorf, eigentlich in diesem Jahr geplant, wird wohl auf 2022 verschoben.

Der TSV Schmiden, der größte Sportverein im Rems-Murr-Kreis, hat aus der Corona-Not eine Tugend gemacht. Seit Dezember bietet er reine Online-Mitgliedschaften an. „Sie sind auf drei Monate begrenzt und beinhalten einen Zugriff auf unsere Internet-Plattform mit Live-Streams und Trainingsvideos“, erläutert Felix Hug, der Leiter des vereinseigenen Sportforums. Nach wie vor sei die Solidarität der Mitglieder zum Verein groß, aber eine „gewisse Corona-Müdigkeit“ schleiche sich doch ein. „Wir bekommen auf alle Fälle mehr Rückforderungen der Zusatzbeiträge als im ersten Lockdown.“

Zweiter Lockdown: „Die Vereine bluten langsam aus“

Rund 350 Mitglieder hat der SV Fellbach verloren, seitdem das Virus die Regeln bestimmt. Nicht nur, aber auch im Sportzentrum Loop mit Fitnessbereich Balance, Dance-Academy und Bewegungslandschaft. Geschäftsführer Udo Wente bedauert, dass das Thema Sport und Bewegung derzeit ein wenig untergehe. Dabei sei es nicht unerheblich, wenn ein Jahr lang nicht nur in der Schule der Sport nahezu komplett ausfalle. „Wer Rückenprobleme hat, wird sie stärker spüren.“ Mehr Fingerspitzengefühl von der Politik hätte sich auch Gabriel Bieg, der Geschäftsführer des TV Oeffingen gewünscht, der nicht nur die derzeit beitragsfreien OeFit-Mitglieder mit Live-Streams und Online-Kursen in Bewegung hält. „Die Vereine bluten langsam aus, und bis wir wieder ein volles Sportangebot haben, wird es dauern.“