Bei vielen Straftaten ist zuvor Alkohol im Spiel gewesen. Foto: Gottfried Stoppel

Im Kampf gegen Alkoholmissbrauch durch Jugendliche ziehen Polizei und Landratsamt an einem Strang. Wie sie dabei vorgehen und was sogar viele Händler zum Alkoholverkauf nicht wissen, lesen Sie hier.

Rems-Murr-Kreis - Sommer, Sonne, Smirnoff: Wenn derzeit Stadt- und Straßenfeste steigen, gehört Alkohol einfach dazu. Oft auch bei Minderjährigen – obwohl die Abgabe erst ab 16 beziehungsweise 18 Jahren erlaubt ist. Ein Problem ist dies aus Sicht der Polizei aus mehreren Gründen. Einerseits sehen die Ordnungshüter die Gefahr, dass bei trinkenden Jugendlichen der Grundstein gelegt wird für eine Sucht – mit allen Schäden, die diese mit sich bringen kann. Andererseits wirkt Alkohol enthemmend und spielt bei vielen Straftaten eine entscheidende Rolle.

Das belegt auch die Statistik. Kommt es zu Straftaten gegen Polizeibeamte, sind sechs von zehn Tätern betrunken. Nicht ganz so viele sind es bei jugendlichen Gewalttätern: Hier ist statistisch gesehen rund ein Fünftel alkoholisiert. Sorgen bereitet dem Präsidium Aalen, das auch für den Rems-Murr-Kreis zuständig ist, allerdings ein starker Anstieg: Der Anteil der jugendlichen Gewalttäter mit Alkohol im Blut war 2017 im Vergleich zum Vorjahr um fast 60 Prozent angestiegen.

Am Morgen nach dem Vollrausch gibt es ein böses Erwachen – manchmal mit Windel

Die Polizei und das Waiblinger Landratsamt ziehen beim Kampf gegen Alkoholmissbrauch an einem Strang. Der Landrat Richard Sigel und der Polizeipräsident Roland Eisele haben sich zum Höhepunkt der Festsaison mit einem Brief an Festveranstalter und Kommunen gewandt. „Schließlich sollten gerade unsere jugendlichen Kreisbürger frühzeitig lernen, Spaß zu haben ohne über die Stränge zu schlagen“, so Landrat Sigel.

Seit acht Jahren beteiligt sich der Rems-Murr-Kreis an dem bundesweiten Programm „Halt“ – der Name steht für „Hart am Limit“. Das Projekt stehe auf zwei Säulen, erklärt die Suchtbeauftragte Sonja Hildenbrand. Eine davon setze an, wenn am Wochenende Kinder und Jugendliche mit Alkoholvergiftung in den Rems-Murr-Kliniken eingeliefert werden. „Wenn sie am nächsten Morgen aufwachen, womöglich in Windeln, gibt es einen kurzen sogenannten Teachable Moment, in dem sie offen sind für Botschaften. Den müssen wir abpassen“, sagt Sonja Hildenbrand.

Was viele Verkäufer zur Rechtslage nicht wissen:

Einem Gespräch mit Fachkräften von Caritas und Kreisdiakonieverband müssen allerdings die Eltern der Betroffenen zustimmen – im vergangenen Jahr taten dies 33 der 77 Familien. Jedoch: „Nur in den seltensten Fällen sehen wir die Jugendlichen wieder.“

Die andere Säule des Programms setzt dort an, wo der Alkohol über den Tresen geht. „Wir schieben nicht nur den Jugendlichen die Schuld zu. Erwachsene haben eine Vorbildfunktion – und es geht auch um die Verfügbarkeit von Alkohol“, betont Hildenbrand. Oft sei das Personal an der Kasse oder im Festzelt unter hohem Druck. „Viele lassen sich einen Ausweis zeigen, verrechnen sich dann aber im Eifer des Gefechts.“

Und die Rechtslage sei vielschichtiger als oft gedacht. So sei es beispielsweise illegal, einem Erwachsenen Alkohol zu verkaufen, wenn klar ist, dass er diesen an Minderjährige weitergeben will. Auch Verkäufer, die einem sichtlich betrunkenen Menschen Alkohol verkaufen, könnten belangt werden, sollte der Betrunkene zu Schaden kommen.

Studien zeigen: Jugendliche trinken weniger

Hildenbrand sieht sich als Ansprechpartnerin, die über solche Details aufklären kann. Über „Halt“ stellt das Landratsamt nicht nur Flyer und Plakate zum Jugendschutz zur Verfügung, sondern unter anderem eine Drehscheibe, mit der Verkäufer auf einen Blick erkennen können, ab welchen Geburtsdaten Kunden welche Art Alkoholika kaufen dürfen.

Bundesweite aktuelle Studien zeigen, dass Jugendliche immer später mit dem Trinken beginnen und dies auch immer seltener tun. Ob dies an „Halt“ und ähnlichen Programmen liegt, lässt sich kaum feststellen. Die Zahl der mit Alkoholvergiftung eingelieferten Minderjährigen im Rems-Murr-Kreis sei konstant, sagt Hildenbrand. „Das kann aber auch daran liegen, dass die Leute sensibilisiert sind“, sagt sie.