Finanzminister Wolfgang Schäuble profitiert von der robusten Konjunktur und hohen Steuereinnahmen. Wegen der Rückzahlung der Kernbrennstoffsteuer ist im Halbjahr aber ein Defizit entstanden. Foto: dpa

Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen können sich zwar über eine gute Haushaltsentwicklung freuen. Trotz einem Rekordüberschuss im ersten Halbjahr zeigen sich aber Bremsspuren bei den staatlichen Investitionen.

Berlin - Dank robuster Konjunktur und hohen Steuereinnahmen haben die öffentlichen Haushalte im ersten Halbjahr einen Rekordüberschuss verzeichnet. Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes betrug das Haushaltsplus 18,3 Milliarden Euro – so hoch war der Überschuss zuletzt im Jahr 2000, als der Bund Mobilfunklizenzen versteigerte. Dennoch gibt es einen Wermutstropfen: Die Investitionen des Staates entwickelten sich nach Einschätzung der Statistiker unterdurchschnittlich. In den ersten sechs Monaten gab der Staat für Investitionen in Infrastruktur und Bildung nur 2,7 Prozent mehr aus. Damit bleiben die Investitionen hinter dem Wachstum der Gesamtausgaben zurück, die um mehr als vier Prozent zulegten. „Es gibt nach wie vor eine beträchtliche Investitionslücke“, sagte der SPD-Haushaltspolitiker Johannes Kahrs dieser Zeitung. Er warf Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor, zu wenig für den Ausbau der Investitionen zu tun.

SPD fordert mehr Mitarbeiter in Planungsbehörden

Der Bund habe in einigen Bereichen zwar mehr Mittel für Investitionen bereitgestellt. Doch das Geld werde von den Behörden, die für Planung zuständig sind, nur langsam abgerufen. Kahrs forderte, mehr Mitarbeiter im öffentlichen Dienst einzustellen und auf Befristungen zu verzichten. Außerdem müssten Planungsverfahren vereinfacht werden. Auch die Grünen fordern einen Vorrang für Investitionen. Wenn in Schulen der Putz von der Decke bröckelt und Millionen Menschen keinen Zugang zum schnellen Internet hätten, müsse der Staat mehr investieren, sagte die Grünen-Politikerin Kerstin Andreae. Der Grund für die schwache Entwicklung der Investitionen liegt auch darin, dass diese Ausgaben im Halbjahr 2016 wegen des Flüchtlingszustroms stark gestiegen waren. Weil damals viele Unterkünfte gebaut wurden, stiegen die Investitionsausgaben um 7,5 Prozent. Die Dynamik lässt inzwischen nach.

Die staatlichen Überschüsse verteilen sich unterschiedlich: Der Bund weist ein Defizit von 2,5 Milliarden Euro aus, was auf einen Sondereffekt zurückzuführen ist. Im ersten Halbjahr zahlte der Bund an die Atomkraftwerkbetreiber die Kernbrennstoffsteuer in Höhe von sieben Milliarden Euro zurück. Das Verfassungsgericht hatte die Steuer kassiert. Länder, Kommunen und Sozialversicherungen wiesen Haushaltsüberschüsse in Milliardenhöhe aus. Das größte Plus fuhren die Länder mit einem Plus von insgesamt acht Milliarden Euro ein.

Liberale warnen vor neuen Ausgabenprogrammen

Die gute Finanzlage beflügelt die Debatte um Steuersenkungen. „Die Rekordüberschüsse in den öffentlichen Haushalten sind ein klarer Beweis, dass Steuersenkungen möglich und nötig sind“, sagte der baden-württembergische FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer. Angesichts des Geldsegens bestehe nach der Wahl die Gefahr, dass Verteilungspolitiker die Spendierhosen anzögen, meinte der Liberale. Es sei aber besser, den Bürgern ihr Geld zurückzugeben als neue Ausgaben zu finanzieren. Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts in München, sieht ebenfalls Spielräume für Entlastungen. „Ohne Steuerentlastungen steigt der Anteil des Staates an der Wirtschaftsleistung wegen der kalten Progression immer stärker an“, sagte Fuest. Die gute Lage solle auch genutzt werden, um Schulden zu senken und vorzusorgen.

Die Stimmung der deutschen Wirtschaft bleibt weiterhin gut. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank im August nur minimal auf 115,9 Punkte nach dem Höchstwert von 116 Zählern im Juli, wie das Münchner Ifo-Institut mitteilte.