Der Erdbeer-Anbauer Robert Dahl in Mecklenburg-Vorpommern weist auf das Problem hin, das in der Landwirtschaft flächendeckend erwartet wird. Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Die Reisebeschränkungen führt bei Landwirten, Obstbauern oder Schlachthäusern zu dramatischen Engpässen. Ministerin Julia Klöckner (CDU) setzt auf pragmatische Lösungen – und Asylbewerber?

Berlin - Die Reisebeschränkungen in Europa aufgrund der Corona-Krise machen Landwirtschaft und Ernährungsbranche zunehmend zu schaffen. Zahlreichen Betrieben fehle es an Personal, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) am Donnerstag in Berlin. Das gelte etwa für Schlachthöfe, Zerlegebetriebe und Molkereien. Pendler aus Polen oder Tschechien könnten nicht ohne weiteres zu ihren Arbeitsplätzen in Deutschland zurückkehren.

Beide östlichen Nachbarländer schicken Personen, die aus dem Ausland einreisen, erst einmal für 14 Tage in Quarantäne. Auch in der Landwirtschaft fehlen helfende Hände aus EU-Ländern wie zum Beispiel Polen, Bulgarien oder Rumänien: Seit diesem Mittwoch gilt wegen der Corona-Pandemie ein Einreisestopp für Erntehelfer und andere Saisonarbeitskräfte nach Deutschland.

Das Problem dürfte sich in den kommenden Monaten noch einmal deutlich verschärfen: Jetzt beginnt die Spargelernte, später müssen andere Obst- und Gemüsesorten gepflanzt und von den Bäumen oder Feldern geholt werden. „Im März werden in der Regel 30 000 Saisonarbeitskräfte gebraucht. Im Mai steigt dieser Bedarf auf rund 80 000 an“, sagte Julia Klöckner in der Hauptstadt.

Eine Jobbörse soll Studenten und Freiwillige vermitteln

Das Landwirtschaftsministerium hatte vor wenigen Tagen gemeinsam mit Partnern eine Jobbörse gestartet, die Betriebe und inländische Erntehelfer zusammenbringen soll. Die Aktion, die sich beispielsweise an Kurzarbeiter oder Studenten richtet, laufe sehr gut an, sagte die Ministerin. Sie schränkte aber ein: „Das wird nicht alle Saisonarbeitskräfte kompensieren.“ Klöckner machte deutlich, dass sie hofft, bei Innenminister Horst Seehofer (CSU) eine Lockerung des Einreisestopps für Saisonkräfte bewirken zu können. Man müsse „immer neu und sehr kurzfristig die Lage beurteilen“, sagte sie. „Das sind wir sehr pragmatisch unterwegs.“

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Eine weitere Möglichkeit, um an Personal zu kommen, könnte der Rückgriff auf Asylbewerber sein – und zwar auf diejenigen, die bislang keine Arbeitserlaubnis haben. Klöckner sagte, es gehe unter anderem um Albaner, Bosnier, Kosovaren, Montenegriner oder Senegalesen. Innenminister Seehofer habe signalisiert, dass hier die geltenden Vorschriften gelockert werden könnten. Klöckner sagte: „Ich halte es für eine Win-Win-Situation, dass wir Leuten, die hier sind und gewillt zu arbeiten, diese Möglichkeit eröffnen.“

Klöckner: Nachschub an Lebensmitteln ist gesichert

Angesichts des Engpasses in der Landwirtschaft hatte das Bundeskabinett Anfang der Woche bereits generelle Erleichterungen für Saisonkräfte beschlossen. Wer im Land ist, soll eine kurzfristige Beschäftigung für bis zu 115 Tage sozialversicherungsfrei ausüben können. Bisher gilt eine Grenze von 70 Tagen. Diese Maßnahme soll auch die Mobilität und damit die Infektionsgefahr verringern.

Die Agrarministerin betonte am Donnerstag aber, dass die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert sei. Niemand müsse Sorge haben, dass der Nachschub ins Stocken gerate. Es gebe keinen Grund für Hamsterkäufe. „Wir werden nicht verhungern“, sagte Klöckner.

„Es wird sicherlich bei den einen oder anderen Waren mal Engpässe geben. Aber bei den Grundnahrungsmitteln sind wir wirklich sehr gut aufgestellt“, so die Ministerin. Aktuellen Daten zufolge war die Nachfrage bei wichtigen Lebensmitteln zuletzt explodiert – etwa bei Reis, Teigwaren und Mehl. Inzwischen lasse der Absatz aber wieder nach. Klöckner ergänzte: „Ich glaube, dass irgendwann unser Grundbedarf an Toilettenpapier in jedem Haushalt gedeckt ist für die nächste Zeit.“