Der frühere DFB-Präsident Reinhard Grindel hat sich gut 15 Monate nach seinem Rücktritt mit deutlichen Aussagen zu Wort gemeldet. (Archivbild) Foto: AFP/CHRISTOF STACHE

Rund 15 Monate nach seinem Rücktritt hat der ehemalige Präsident Reinhard Grindel mit dem Deutschen Fußball-Bund abgerechnet. Die eigene Bilanz bewertet er durchaus als erfolgreich. Seine Meinung zur 50+1-Regel dürfte nicht allen gefallen.

Berlin - Mitunter fehlende Loyalität und Teamgeist an der Spitze, ein nicht ausreichendes Krisenmanagement während der Corona-Pandemie und provokante Aussagen zur 50+1-Regel: Der frühere DFB-Präsident Reinhard Grindel hat sich gut 15 Monate nach seinem Rücktritt mit deutlichen Aussagen zu Wort gemeldet.

Grindel fühlt sich mit Blick auf sein Aus beim Deutschen Fußball-Bund verraten. „Leider hat es Personen gegeben, die diesen Fehler bemerkt und an die Presse durchgestochen haben, statt mich darauf anzusprechen“, sagte Grindel der „Bild am Sonntag“ über die Annahme einer teuren Uhr, die im April 2019 zu seinem Rücktritt geführt hatte. „Das hat mich menschlich schon sehr beschäftigt.“ Das Geschenk im Wert von rund 11 000 Euro hatte er von einem ukrainischen Funktionär erhalten.

„Ich habe einen Compliance-Verstoß begangen, und es war richtig, daraus die Konsequenzen zu ziehen“, sagte Grindel. „Mit dem ominösen Uhrengeschenk bin ich völlig transparent und arglos umgegangen. Es wussten ja viele im DFB davon.“ Er habe nie „einen Hehl aus dem Geschenk gemacht“, versicherte der 58-Jährige. „Das mag man naiv nennen, jedenfalls war diese Form der Transparenz das komplette Gegenteil von Korruption.“

Rückblickend sei das Amt des DFB-Präsidenten gut zu führen, „wenn es an der Spitze Loyalität und Teamgeist gibt“. Dies habe es aber nicht von jedem Einzelnen gegeben. Durch seine Tatkraft und Präsenz habe er Einflussstrukturen verändert. „Das hat vielleicht nicht jedem gefallen“, sagte Grindel.

Eine provokante Meinung vertritt Grindel in Sachen 50+1-Regel

In seiner persönlichen Bilanz hebt der CDU-Politiker die erfolgreiche Bewerbung für die EM 2024, das Festhalten an Joachim Löw nach der WM 2018 und den Bau der DFB-Akademie hervor. Die Affäre um das Foto von Mesut Özil mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sei einen Tag vor der Kaderbekanntgabe für die WM 2018 zum falschen Zeitpunkt gekommen. „Nur eine Woche früher und wir hätten Zeit gehabt, mit Özil in Ruhe darüber zu reden, dass es eine klare, unmissverständliche Distanzierung von dem Wahlkampffoto geben muss“, betonte Grindel, der damals viel Kritik einstecken musste.

Für die Zukunft habe der DFB laut Grindel auch durch die EM 2024 glänzende Aussichten. „Was ich mit Sorge sehe, ist die Tatsache, dass in der Corona-Krise nicht genug getan wurde, um unsere Amateurvereine zu stärken. Da muss der DFB alle Kräfte bündeln, um zu helfen“, monierte der gebürtige Hamburger, der inzwischen als Unternehmensberater in den Bereichen Politik und Sport arbeitet.

Dass sein Nachfolger Fritz Keller die Sommermärchen-Affäre rund um die WM 2006 noch einmal untersuchen lässt, verfolgt Grindel mit Spannung. An neue Erkenntnisse glaubt er nicht. „Wir haben den Zahlungsfluss lückenlos nachgewiesen. Was mit dem Geld letztendlich gemacht worden ist, weiß der frühere FIFA-Funktionär Bin Hammam, an den das Geld ging, und möglicherweise das ein oder andere Mitglied des damaligen Organisationskomitees. Wenn die aber nichts sagen, sind die Möglichkeiten eines Sportverbandes, die Wahrheit herauszufinden, begrenzt“, erklärte Grindel.

Eine provokante Meinung vertritt Grindel in Sachen 50+1-Regel. „Der deutsche Fußball sollte zumindest diskutieren, Bedingungen und klare Regeln für Investoren festzulegen, bevor die EU-Kommission vollendete Tatsachen schafft“, sagte Grindel und betonte: „Für die Vereine, die am ehesten Bayern und Dortmund gefährlich werden können, wirken die 50+1-Regeln ohnehin nicht: siehe Leipzig oder Leverkusen. Insofern kommt man um die Debatte nicht herum, ob es nicht geboten ist, Vereinen, die in diese Phalanx einbrechen wollen, die Einbeziehung von Investoren zu erleichtern.“ Er habe Zweifel, ob es in der DFL die Bereitschaft gebe, Mehrheitsbeteiligungen zuzulassen, die in der Bundesliga durch die 50+1-Regel untersagt sind.