Wer geblitzt wird, soll künftig härter bestraft werden. Foto: dpa/Nicolas Armer

Die Rechtsunsicherheit hält an, da sich der Bundesrat nicht auf neue Bußgelder für Raser einigen kann.

Berlin - Aus der Posse um einen Formfehler des Bundesverkehrsministeriums ist ein politischer Grundsatzstreit über die angemessene Bestrafung von Verkehrsrowdys geworden. Aufgrund des Widerstands der Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung gegen eine Aufweichung der im Frühjahr beschlossenen Regeln kam am Freitag keine Mehrheit für eine Reform des Bußgeldkatalogs zustande. Vertreter beider Lager warfen sich am Ende gegenseitig vor, für die anhaltende Rechtsunsicherheit bei Geschwindigkeitsverstößen verantwortlich zu sein.

Ende April war eine deutliche Verschärfung der Strafen für Raser in Kraft getreten – fortan mussten sie bereits bei geringeren Überschreitungen sowohl mit höheren Bußgeldern als auch mit Fahrverboten rechnen. Wer innerorts 21 Kilometer pro Stunde oder mehr zu schnell fuhr, hätte bereits beim ersten Mal den Führerschein verlieren können. Außerhalb geschlossener Ortschaften galt dies ab einer Geschwindigkeitsübertretung von 26 Kilometern pro Stunde.

Die beschlossene Reform musste aber bald wieder „außer Vollzug“ gesetzt werden, da formaljuristische Vorgaben im Gesetzestext nicht erfüllt worden waren. Für die Panne, die als Konjunkturprogramm für Verkehrsanwälte taugt, bat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) kürzlich erneut um Verzeihung: „Wir haben den Fehler gemacht. Ich entschuldige mich nochmals dafür.“ Die saarländische Verkehrsministerin Anke Rehlinger sprach im Bundesrat von einer derzeit geltenden „Straßenverkehrs-Unordnung“.

Es bleibt vorerst dabei, weil keiner der vorgelegten Kompromissanträge die erforderliche Zustimmung der Länderkammer bekam. Während die Grünen die Verschärfungen aus dem Frühjahr unverändert noch einmal in rechtskonformer Weise beschließen wollten, sahen Union und SPD den Ursprungsbeschluss mittlerweile als unverhältnismäßig hart an – die stellvertretende SPD-Chefin Rehlinger räumte ein, dass die Neubewertung „besser zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt wäre“, verteidigte aber die neue Linie. So sollte ein unmittelbarer Führerscheinentzug nur noch möglich sein, wenn vor Kindergärten und Schulen oder auf Autobahnen im Baustellenbereich zu schnell gefahren wird. Bei einer Annahme, zu der es nicht kam, wäre dies trotzdem eine Verschärfung gegenüber dem Ist-Zustand gewesen.

„Es ist sehr bedauerlich, dass aufgrund der Blockadehaltung der Grünen im Bundesrat keine Einigung möglich war“, sagte Scheuers Staatssekretär Steffen Bilger (CDU) unserer Zeitung: „So besteht weiter Unsicherheit, und die beabsichtigten Verbesserungen für die schwächeren Verkehrsteilnehmer können nicht in Kraft treten.“ Generell ist das Ziel der beabsichtigten Reform, insbesondere Fußgänger und Fahrradfahrer durch einen verlangsamten Autoverkehr besser zu schützen.

Das Nein Baden-Württembergs und anderer grünregierter Länder verteidigte der Stuttgarter Verkehrsminister Winfried Hermann. „Wir konnten dem schwachen Kompromissvorschlag nicht zustimmen“, erklärte er gegenüber unserer Zeitung: „Im Frühjahr war noch klar, dass auch viel zu hohe Geschwindigkeiten in Wohngebieten sofort zum Führerscheinentzug für vier Wochen führen, jetzt wäre dies nur noch vor Kitas und Schulen der Fall – das ist zu wenig.“

Nun wollen die Länder und der Bund erneut in Verhandlungen treten. Scheuer sagte, die Hand der Regierung bleibe ausgestreckt. Angesichts der neuen Linie der Regierungskoalition im Bund gibt Hermann das Ziel aus, dass „die grün-mitregierten Länder eine solche Abschwächung so gering wie möglich halten“. Man sei gleichzeitig auch zu Kompromissen bereit: „Wenn der Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer an diesem Punkt wieder zurückgefahren wird, müsste es an anderer Stelle Verbesserungen geben, indem beispielsweise die Kommunen leichter Tempo-30-Zonen ausweisen können.“