US-Präsident Donald Trump bei seiner Rede zur Nation. Foto: POOL

Der US-Präsident gibt sich in seiner Rede zur Lage der Nation als Versöhner. Den Kongress ruft er auf, die tiefen politischen Gräben in Washington zuzuschütten. Dass seine Botschaft verfängt, gilt aber als unwahrscheinlich.

Washington - Mit einer erstarkten Opposition im Rücken hat US-Präsident Donald Trump den zutiefst gespaltenen Kongress zur Geschlossenheit ermahnt. Washington müsse „die Politik der Rache, Gegenwehr und Vergeltung“ hinter sich lassen, erklärte Trump am Dienstagabend (Ortszeit) in seiner Rede zur Lage der Nation. An die Demokraten richtete er eine Warnung: „Lächerliche parteipolitische Ermittlungen“ gegen seine Regierung oder seine Geschäftsinteressen könnten den wirtschaftlichen Fortschritt des Landes zurückwerfen.

Von der Lage in Amerika zeichnete er ein überaus positives Bild. „Unser Land ist dynamisch und unsere Wirtschaft gedeiht wie niemals zuvor“, sagte er. „Das Einzige, das das stoppen kann, sind närrische Kriege, Politik oder lächerliche parteipolitische Ermittlungen“. Dies werteten Beobachter als einen Seitenhieb auf die Untersuchung von Sonderermittler Robert Mueller zu möglichen Absprachen zwischen Russland und Trumps Kampagne vor der Wahl 2016.

„Unverhohlene Heuchelei“

Trumps versöhnlicher Ton stand in scharfem Kontrast zur politisch explosiven Atmosphäre in der Hauptstadt, für die ihn seine Kritiker mitverantwortlich machen. Davon zeugte ein Schlagabtausch mit den Demokraten, den sich der Präsident nur wenige Stunden vor seiner Rede lieferte. Auslöser war eine Äußerung des Fraktionschefs der Demokraten im Senat, Charles Schumer, der Trumps vorab durchgesickerte Botschaft der Eintracht als „unverhohlene Heuchelei“ abtat. An den übrigen 364 Tagen im Jahr spalte der Präsident nämlich die Nation, sagte Schumer.

Seine Rede zur besten Sendezeit hielt Trump zudem im Schatten einer immer näherrückenden Frist. Am 15. Februar läuft ein Gesetz ab, das die Finanzierung der durch einen Verwaltungsstillstand geschlossenen Behörden ermöglicht. Zum längsten Shutdown der US-Geschichte kam es, weil Trump keinen Haushalt unterzeichnen wollte, der keine 5,7 Milliarden Dollar für eine Mauer an der Grenze zu Mexiko vorsieht. Schließlich lenkte Trump ein, drohte aber mit einem neuerlichen Verwaltungsstillstand, falls es bis zum 15. Februar keine Lösung geben sollte.

Trump stärkt Guaidó den Rücken

In seiner Rede ging Trump zwar nicht auf die im Mauerstreit ebenfalls von ihm angedrohte Ausrufung eines nationalen Notstands ein, beharrte aber auf seinen Forderungen. „Ich bitte Sie, unsere sehr gefährlich Südgrenze aus Liebe und Zuneigung zu unseren Mitbürgern und unserem Land zu verteidigen“, erklärte Trump. Illegale Einwanderung sei ein großes Risiko für Amerikaner.

Große Teile seiner Rede widmete der Präsident der Außenpolitik. Er kündigte für den 27. und 28. Februar einen zweiten Gipfel mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un an. Ziel sei es, Kim zur Abkehr von seinem Atomwaffenprogramm zu bewegen, sagte Trump. Mit Blick auf die Krise in Venezuela stärkte er erneut Oppositionsführer Juan Guaidó den Rücken, der sich zum Interimspräsidenten erklärt hat. Zugleich verurteilte Trump „die Brutalität“ von Präsident Nicolás Maduro.

Den amerikanischen Rückzug aus dem mit Russland geschlossenen Vertrag zum Verbot atomarer Mittelstreckenwaffen verteidigte Trump. Womöglich könne ein multinationaler Pakt zur Rüstungskontrolle unter Einbindung Chinas und anderer Länder als Alternative zum sogenannten INF-Pakt geschmmiedet werden. Auch gegen Kritik an seinem Entschluss zum Abzug von US-Truppen aus Syrien und Afghanistan verwahrte sich Trump. „Große Nationen kämpfen keine endlosen Kriege“, sagte er. Die USA arbeiteten mit Verbündeten daran, „Überbleibsel“ der Terrormiliz Islamischer Staat zu zerstören. US-Verantwortliche für nationale Sicherheit und viele führende Republikaner halten den IS indes weiter für gefährlich.