Ich habe mich immer als Bereicherung für Berlin empfunden“, sagt Bärbel Stolz schmunzelnd im Gespräch mit Kai Holoch. Foto: Rudel

Wanderin zwischen den Welten: Bärbel Stolz ist auf der Schwäbischen Alb groß geworden und hat als Prenzlschwäbin im fernen Berlin Karriere gemacht. Davon hat sie Lesern der Stuttgarter Zeitung erzählt.

Esslingen - Sie kocht Spätzle und misstraut Berliner Kartoffelsalat. Sie denkt schwäbisch, kann aber auch Hochdeutsch. Sie ist in Esslingen geboren und auf der Schwäbischen Alb aufgewachsen. Sie hat schon als Säugling auf der Theaterbühne in Hayingen gestanden, sofern man da schon von „gestanden“ sprechen darf, und ist Jahre später beim Vorsprechen an der Stuttgarter Schauspielschule abgeblitzt. Sie hat an der renommierten Ernst-Busch-Schauspielschule studiert und ist durch Zufall in Berlin hängen geblieben. Sie hat links gewählt und träumt in mehreren unterschiedlichen Sprachen – mitunter auch klingonisch.

Klingonisch, muss man wissen, ist die fiktive Sprache der Science-Fiction-Erzählung „Star Trek“ – und wie ein modernes Märchen mutet auch die Karriere der Bärbel Stolzan. Sie, die von den Irrungen und Wirrungen des Lebens vor 21 Jahren ins Berliner Kultviertel Prenzlauer Berg gespült worden ist, bringt inzwischen als Prenzlschwäbin eine riesige Fangemeinde im Internet zum Schmunzeln. Ihr Buch „Isch des bio?“ hat zuletzt die Bestenlisten gestürmt, mit dem gleichnamigen Abendprogramm füllt sie die Veranstaltungshallen der Republik.

Vergnüglicher Abend mit der Prenzlschwäbin

So souverän, wie sie als Kunstfigur, Buchautorin und Entertainerin den kabarettistischen Spagat zwischen den Kulturen meistert, so souverän hat sie beim Besuch in der Redaktionsräumen der Stuttgarter Zeitung die Fragen von Büroleiter Kai Holoch beantwortet. Im Rahmen der Reihe „StZ im Gespräch in Esslingen“ haben am Mittwoch mehr als 90 StZ-Leserinnen und -Leser einen vergnüglichen Abend im Palmschen Bau erlebt.

Sie haben exklusiv erfahren, mit welchem Satz die Bühnenkarriere der Prenzlschwäbin in Gang gekommen ist. „I brauch koin Bära-Broata, i han ebbes bessers – i han Gummibärle.“ Gesagt hat sie den Satz in ihrer ersten Sprechrolle, als Sechsjährige auf der Bühne des Naturtheaters Hayingen. Dort hatte ihr Vater, Martin Schleker, damals die schwäbische Steinzeit-Saga Rulaman inszeniert.

Den Hang zum Kulinarischen lebt sie als Prenzlschwäbin immer noch mit Vorliebe aus – inzwischen allerdings nicht mehr vor der überschaubaren Zuschauerzahl einer Freilichtbühne, sondern vor einem Millionenpublikum im Internet. Mittlerweile geht es auch nicht mehr um Bärenbraten oder Gummibärchen, sondern um Bio-Regio-Currywurst, Mandelmilch-Cortados und Kartoffelsalat mit Mayonnaise. Die selbst erlebten Kulturschocks in Berliner Bioläden, aber auch den Kampf um die Rutsche auf dem Kinderspielplatz spießt Bärbel Stolz in kleinen Internet-Filmchen satirisch auf und serviert sie ihrer Fangemeinde auf Youtube oder Facebook. Die verschluckt sich dann vor Lachen ob des augenzwinkernd auf den Punkt gebrachten Konfliktes zwischen schwäbischem Pragmatismus und weltstädtischen Gehabes.

Die Idee, ihre Erlebnisse für ein größeres Publikum aufzubereiten, ist Bärbel Stolz nach der Babypause gekommen. Um wieder im Schauspielberuf Fuß zu fassen, hat sie ein Demoband über einen fiktiven Integrationskurs für Schwaben in Berlin gefertigt. „Das ist die Prenzlschwäbin“, habe ihr Mann spontan gesagt – eine Marke war geboren. Die Prenzlschwäbin hat auf Anhieb den Nerv der Zeit in der zugleich wiedervereinten und kulturell auseinanderstrebenden Hauptstadt getroffen. Seither treibt sie die Klischees auf die Spitze und die Klickzahlen in astronomische Höhen. „In Berlin werde ich am häufigsten geklickt, dann in Stuttgart und München, dann aber schon in Esslingen“, sagt Bärbel Stolz stolz.

Bärbel Stolz schätzt die Provinzialität der Berliner.

Auf die Berliner lässt sie nichts kommen. „Nach 21 Jahren in der Stadt schätze ich die Provinzialität hier. Die Berliner sind eigentlich ganz schöne Spießer“, sagt sie. Kein Wunder, dass sie sich da wie zu Hause fühlt, war doch auch ihre Jugend auf der Schwäbischen Alb geprägt von einer Umgebung, in der das Auto gewaschen und die Kehrwoche gemacht gehörte. Schon da, so erinnert sie sich, habe sich ihre Familie – der Vater Künstler, die Mutter Lehrerin – dem Gruppendruck entzogen. Obwohl sie nur beste Erinnerungen an ihre Jugend auf der Alb habe, seien sie wohl Exoten am Ort gewesen. „Trotzdem hat meine Mutter am Backhäusle mitbacken dürfen – zu meinem Leidwesen aber immer diese kastenförmigen dunklen Vollkornbrote, statt der duftenden Weißbrotlaibe, die die anderen Frauen gebacken haben“, sagt sie.

Am meisten vermisse sie die malerische Landschaft des Südens, antwortet sie auf die entsprechende Frage. „Berlin ist karg und flach“, sagt sie. Flach halten will sie auch den Ball, wenn es um die Animositäten zwischen Schwaben und Berlinern geht. Bei aller Provinzialität schätze sie an ihrer Wahlheimat, dass sie das Bunte, das Fremde zulassen würde. Deshalb würden die Berliner die Schwaben ja eigentlich mögen. „Auch ich habe mich von Beginn an als Bereicherung für Berlin empfunden“, sagt Bärbel Stolz schmunzelnd.

Dass die in ihren Internet-Clips über den Szene-Spielplatz am Prenzlauer Berg hallenden Kindernamen wie Xenia-Adelheid, Benedict-Benjamin, Friedrich-Anthony und Bruno-Hugo-Luis nicht nur der Fantasie entsprungen sind, zeigt die eigene Lebenswirklichkeit. „Unsere Tochter heißt Luise Papagena“, muss Bärbel Stolz zugeben. Schuld daran allerdings sei nur der große Bruder. Der habe sich das so gewünscht.