Es gibt Firmen, die sich auf den Abbau und das Recycling von Windrädern spezialisiert haben. Foto: dpa

Mit dem Ende der staatlichen Förderung ab 2020 werden viele Windkraftanlagen nicht mehr konkurrenzfähig sein. Was geschieht mit den Windriesen, wenn sie ausgedient haben?

Stuttgart - Noch drehen sich etwa 28 000 Windräder unter dem deutschen Himmel. Rund 13 Prozent des Stroms in unserem Land erzeugen sie. Doch Ende 2020 wird die staatliche Förderung für viele dieser Windkraftanlagen enden. Bei den derzeitigen Strompreisen werden viele der Anlagen dann nicht mehr konkurrenzfähig sein. Zudem kommen einige Windräder in die Jahre – und müssen schon jetzt aus technischen Gründen gegen neuere Anlagen ausgetauscht (Repowering) oder ganz abgebaut werden. Der Bundesverband Windenergie rechnet damit, dass der Abbau von Windkraftanlagen ebenso wie das Repowering schon ab 2020 deutlich zunehmen werden. Darauf werden sich die Betreiber einstellen müssen.

„Wenn die Strompreise in der nächsten Dekade nicht steigen, werden sich nur wenige Anlagen ohne Förderung am Markt behaupten“, sagt eine Analyse des Berliner Fachberatungsunternehmens für Energie, Energy Brainpool. „Circa 4500 Anlagen werden allein Ende 2020 aus der EEG-Förderung fallen“, sagt Andreas Wellbrock, Geschäftsführer des Bundesnetzwerks für Windenergie (WAB). „Das entspricht einer Leistung von circa 4,3 Gigawatt, also etwa so viel, wie acht mittelgroße Kohlekraftwerke oder vier große Atomkraftwerke erzeugen“, sagt Wellbrock. Im Moment besteht für einige Anlagentypen noch eine Nachfrage auf dem sogenannten Zweitmarkt in Osteuropa, wo betriebstüchtige Windkraftanlagen wieder aufgebaut und weiter betrieben werden. Doch wenn der massive Abbau im Jahr 2021 beginnt, wird auch dieser Markt die große Menge an abgebauten Windkrafträdern wohl nicht mehr abnehmen können.

Windenergieanlagen, die nicht mehr für den Weiterbetrieb geeignet sind, müssen dann verschrottet werden. Zwar werden einige Anlagen auch ausgetauscht und höher gebaut, um damit effizienter zu werden. Allerdings ist diese Kraftwerkserneuerung je nach Bundesland nur auf dreißig bis fünfzig Prozent der Flächen, auf denen heute Windräder stehen, überhaupt möglich. Auf allen anderen dürfen – aufgrund von zwischenzeitlich geänderten Abstandsregeln – keine neuen Anlagen errichtet werden.

Manche Windräder werden abmontiert, indem sie mit Seil und Traktor umgezogen werden

Die gesetzlichen Grundlagen des Umwelt- und Arbeitsschutzes für den Abbau der Windriesen sind in Deutschland noch sehr ungenau – und unterscheiden sich von Region zu Region. Manche Windräder werden demontiert, indem sie mit Seil und Traktor einfach umgezogen werden. Doch das kann zu Umweltschäden führen, etwa der Kontaminierung des Bodens durch Schweröle oder Rotorblattsplitter. „Ein Windkraftturm sollte Stück für Stück mit dafür geeigneten Kränen abgetragen werden. So werden Kontaminationen vermieden und können die einzelnen Komponenten in geeignete Verwertungswege überführt werden“, sagt Mika Lange, Experte beim Lüneburger Entsorgungsunternehmen Neowa.

Darüber, wie Windkraftanlagen und ihre Komponenten einmal entsorgt werden, hat sich lange niemand Gedanken gemacht. Heute gibt es für die Abwicklung von Rückbauprojekten in Deutschland einige Spezialdienstleister, etwa die Neowa GmbH und die Veolia GmbH. Sie bündeln die gesamte Leistung des Windturmabbaus für die Windparkbetreiber – über den Abtransport bis hin zur Verwertung der einzelnen Komponenten. Mit riesigen Kränen bauen sie die Anlagen ab und zerlegen sie in ihre einzelnen Komponenten. Die meisten Materialien der Turbinen und des Turms lassen sich gut recyceln – etwa der Stahl, die Kupferkabel und der Beton. Doch die Rotorblätter sind ein Problem: Die Schwingen bestehen hauptsächlich aus glasfaserverstärkten Kunststoffen (GFK). „Diese sind auf eine lange Lebensdauer ausgelegt. Sie sind mechanisch belastbar, UV-stabil und korrosionsbeständig. Am Lebensende können aber genau diese Eigenschaften zum Entsorgungsproblem werden“, sagt Lange.

Noch an Ort und Stelle werden die riesigen Rotorblätter in etwa sechs Meter große Stücke geschnitten. Dann werden sie nach Bremen transportiert, auf das Gelände der Neocomp GmbH. Hier steht das einzige Werk in Deutschland, das die Windmühlenflügel fachgerecht entsorgen und verwerten kann. „Wir schreddern die Rotorflügel mit mehreren Zerspanern auf eine Größe von 40 Millimetern. Dieser Ersatzstoff kann dann in Öfen eingesetzt werden, zum Beispiel in der Zementindustrie“, erklärt Lange. Der Clou: Die bei der Verbrennung anfallende Asche besteht hauptsächlich aus Silizium und kann dem Zement gleich als Rohsandersatz zugesetzt werden. Damit gibt es für Glasfaserverbundstoffe europaweit erstmals ein Null-Abfall-Konzept. „Derzeit produzieren wir täglich 100 Tonnen Ersatzbrennstoff. Mit Blick auf die hohe Nachfrage in den nächsten Jahren planen wir aber den Ausbau der Kapazitäten“, sagt Lange.

Richtig gemacht könnte die Windkraft-Recyclingindustrie einen Beitrag zur Rückgewinnung wertvoller Ressourcen leisten

Nur: Rotorblätter der neuen Generation bestehen häufig nicht mehr aus glasfaserverstärktem Kunststoff, sondern aus karbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK). Das Verbrennen dieses Materials ist nicht so einfach wie bei Glasfaserteilen. Die Karbonfasern sind zum Teil lungengängig und verstopfen die Filter in den Müllverbrennungsanlagen. Zudem können sie durch ihre elektrische Leitfähigkeit Kurzschlüsse auslösen. Deshalb werden die Karbonbauteile aus den Rotorblättern schon auf der Baustelle getrennt und zu einem der wenigen zertifizierten Entsorgungsfachbetriebe für Karbonfasern geschickt – zur CFK Valley Stade Recycling GmbH bei Hamburg. Hier werden die Karbonfasern über eine thermochemische Spaltung, den Pyrolyseprozess, zurückgewonnen und wieder in den Produktkreislauf zurückgeführt.

Noch steckt die Windkraft-Recyclingindustrie in den Kinderschuhen. Doch richtig gemacht könnte sie in Zukunft einen wichtigen Beitrag zur Rückgewinnung wertvoller Ressourcen leisten. „Was wir bräuchten, wären Regelungen und Umweltstandards, damit Abbau und Recycling kontrolliert und umweltverträglich ablaufen können“, sagt Martin Westbomke. In einem Arbeitskreis und einem Verein, der Windkraft- und Entsorgungsbranche zusammenbringt, will der Windkraftforscher am Institut für integrierte Produktion in Hannover diesem Ziel näher kommen.