Städte können Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge verhängen. Das Leipziger Urteil wird in der Bundespolitik unterschiedlich bewertet. Foto: dpa-Zentralbild

Von einer Schelte für die Bundesregierung sprechen die einen, Kritik an der Deutschen Umwelthilfe üben die anderen: Die Reaktionen auf das Urteil zu den Diesel-Fahrverboten des Bundesverwaltungsgerichts fallen in der Bundespolitik unterschiedlich aus.

Berlin - Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu Fahrverboten für Dieselautos ist in Berlin unterschiedlich aufgenommen worden. Hier Stimmen aus der Bundespolitik:

Christian Schmidt (CSU), geschäftsführender Bundesverkehrsminister:

„Unser Ziel ist, Fahrverbote zu vermeiden. Fahrverbote hätten massive Auswirkungen auf unsere Innenstädte. Deswegen müssen wir alles tun, dass der Verlust persönlicher Freiheit und der Wertverlust der Fahrzeuge verhindert werden.“

Matthias Gastel, Grünen-Verkehrsexperte:

„Der Gerichtsentscheid markiert den Höhepunkt einer jahrelang fehlgeleiteten Politik der Bundesregierung. Der Gesundheitsschutz der Menschen wurde vom Bund sträflich vernachlässigt. Die eigene Verantwortung wurde immer wieder ausgeblendet. Jetzt sind technische Nachrüstungen bei den betroffenen Diesel-Pkw gefragt – und zwar auf Kosten der Hersteller.“

Michael Theurer, FDP-Wirtschaftspolitiker:

„Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kommt für die Bundesregierung einem politischen Offenbarungseid für ihre desaströse Mobilitätspolitik gleich. Wegen dieser Politik drohen für Berufspendler, Handwerker, Selbstständige und Mittelstand durch Fahrverbote oder Blaue Plakette existenzbedrohende Belastungen.“

Cem Özdemir (Grüne), Vorsitzender des Bundestags-Verkehrsausschusses:

„Es braucht endlich ein ernst gemeintes, wirksames und verbindliches Nachrüstprogramm der Hersteller, das seinen Namen auch verdient. Der vorauseilende Gehorsam der zuständigen Minister gegenüber den Autobossen beim Thema Hardware-Nachrüstung ist nicht mehr haltbar. Auch bei der Umsetzung des Gerichtsurteils darf der Bund die Länder nicht im Stich lassen. Sonst droht ein unübersichtlicher Wirrwarr lokaler Regelungen.“

Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauverbands VDMA:

„Generelle Fahrverbote für Fahrzeuge sind der falsche Weg, um ein Problem zu lösen, das nur an ganz bestimmten Orten unter ganz bestimmten Bedingungen auftritt. Denn solche Fahrverbote treffen auch jene Verkehrsteilnehmer wie Handwerker oder Servicetechniker, die für ihren Beruf auf die Nutzung vorhandener Diesel-Kleintransporter angewiesen sind.“

Michael Ebling, Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen:

„Das Bundesverwaltungsgericht hat bestätigt, dass es bei dem klaren Auftrag, unsere Luft sauberer zu machen, keine Denkverbote geben darf. Für die Luftreinhaltepläne hat uns das Gericht einen großen Werkzeugkasten mitgegeben. Fahrverbote sind nur ein Werkzeug unter vielen und für uns die Ultima Ratio. Sie sind das Werkzeug, zu dem wir in der konkreten Umsetzung als Letztes greifen werden.“

Joachim Pfeiffer, CDU-Wirtschaftspolitiker:

Er lehnt jede Form von Fahrverboten ab, sagte Pfeiffer. Auch von einer Blauen Plakette hält er wenig. Das wäre eine hilflose Reaktion. Pfeiffer kritisiert, dass sich die Debatte um Feinstaub und Stickoxidbelastung fast ausschließlich um den Verkehr dreht. Das sei einseitig. Um die Schadstoffe in Städten zu reduzieren, müsse es einen breiten Ansatz geben – indem auch mehr Umfahrungen gebaut werden. Bedenklich sei, wie die Deutsche Umwelthilfe Stimmung gegen das Auto mache. „Die Deutsche Umwelthilfe halte ich für eine semi-kriminelle Vereinigung“, sagt er. Er begründet dies damit, dass sich diese Organisation als Abmahnverein betätigt.

Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH):

„Fahrverbote sind der falsche Weg. Wir lehnen sie weiter entschieden ab und appellieren an die Kommunen und Städte, alles zu tun, um sie zu vermeiden. Das aktuelle Urteil, Fahrverbote grundsätzlich zu ermöglichen, ist keinesfalls ein Freifahrtschein, um in ganz Deutschland Dieselfahrzeuge aus den Städten auszuschließen.“

Alexander Gauland, AfD-Partei- und Fraktionschef:

„Diesel-Fahrverbote sind in vielerlei Hinsicht völlig abwegig und liegen allein im Interesse der Anti-Diesellobby.“

Steffen Bilger, CDU-Verkehrspolitiker:

„Die Schadstoffwerte sind in fast allen Städten besser geworden. Die Verantwortung für weitere Maßnahmen liegt nach wie vor in den Kommunen. Es ist keineswegs zwingend, dass eine bundesweite Blaue Plakette eingeführt wird.“

Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages:

„Mit dem Urteil steigt der Druck auf die Automobilindustrie, Diesel-Pkw sauberer zu machen. Die Städte wollen keine Fahrverbote. Sie tun alles, diese zu vermeiden. Lösen müssen das Problem zu hoher Stickoxid-Werte aber vor allem die Autohersteller, damit Fahrverbote vermieden werden können.“

Thomas Bareiß, energiepolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag:

„Es zeigt sich, dass es falsch gewesen ist, den Weg der Sprungrevision zu gehen, da eine inhaltliche Prüfung nicht mehr stattgefunden hat. Es bleibt dabei, dass Fahrverbote das falsche Instrument und das falsche wirtschaftspolitische Signal sind. Die Luft in den Städten hat sich seit Jahren schrittweise verbessert. Dieser Prozess wird weitergehen. Es bleibt die Aufgaben der Kommunen, Fahrverbote zu vermeiden.“

Daniela Ludewig, verkehrspolitischen Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag:

„Das Gericht hat deutlich gemacht, dass bei der Luftreinhaltung Handlungsbedarf besteht. Es geht jetzt darum, gerade den belasteten Städten alle Unterstützung zu bieten, um die Luftqualitätsgrenzwerte so schnell wie möglich einhalten zu können. Wir werden die bereits angestoßenen Maßnahmen fortsetzen und weiterentwickeln. Schon jetzt zeigen sie Wirkung. Gleichzeitig wollen wir, dass verstärkt verkehrslenkende Maßnahmen eingesetzt werden, mit denen etwa durch digitale Steuerungs- und Anzeigesysteme der Verkehr um hochbelastete Bereiche umgeleitet wird. Generelle Fahrverbote lehnen wir weiterhin ab. Sie sind allein nicht geeignet das Stickoxid-Problem zu lösen.“

Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag:

„Jetzt muss die Bundesregierung endlich handeln. Fahrverbote wollen wir nicht, aber sie werden ja offensichtlich unausweichlich sein. Wir brauchen dringend eine verbindliche Nachrüstung für die Pkw. Diese Nachrüstungen müssen die Autohersteller bezahlen – niemand sonst. Die Bundesregierung muss jetzt dafür sorgen, dass es keinen Flickenteppich gibt in Deutschland. Mobilität geht nun wirklich über kommunale, über Ländergrenzen hinaus, und deswegen muss klar sein, es muss eine einheitliche Regelung her. Und wir brauchen eine blaue Plakette.“