Der Abgang von Andrea Nahles von der politischen Bühne hat auch an der Stuttgarter Parteibasis Erschrockenheit ausgelöst. Foto: dpa

Die Stuttgarter Sozialdemokraten sind erschüttert über die Entwicklungen an der Parteispitze in Berlin. Das kommissarische neue Führungstrio wird zwar allgemein gelobt, doch der Umgang der Genossen untereinander entsetzt viele. Jetzt müsse eine „sympathische“ neue Person an die Spitze rücken, heißt es.

Stuttgart - Der Rücktritt und die Umstände der Demission von SPD-Bundespartei- und Fraktionschefin Andrea Nahles haben auch bei den Stuttgarter Genossen Betroffenheit und Nachdenklichkeit ausgelöst. Der Fraktionschef der SPD im Rathaus, Martin Körner, sieht im Rücktritt der Vorsitzenden von allen politischen Ämtern aber vor allem auch die Chance für einen Neuanfang in der Partei: „Ich hoffe, dass jetzt alle verstanden haben, dass wir noch mehr zusammenhalten müssen.“ Mit Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel als Übergangsführung ist Körner einverstanden: „Die werden das sicher gut machen.“ Seine Einschätzung, was denn der Parteichef oder die neue Parteichefin mitbringen müsse, lässt sich durchaus auch als Kritik an Nahles verstehen: „Einfach mal sympathisch sein wäre schon mal nicht schlecht.“

Maria Hackl, für die SPD bei den zurückliegenden Kommunalwahlen wieder ins Stadtparlament gewählt, zeigte sich erschüttert und erschrocken über den Rückzug von Nahles: „Wenn es stimmt, was man so hört, dann kann ich ihren Schritt nachvollziehen“, sagt Hackl, die nach eigenen Angaben selbst keine Anhängerin von Nahles war. Es mache einen schon sehr nachdenklich, welcher Umgangston offenbar in der SPD gepflegt werde. „Wenn das so gelaufen ist, ist der Schritt von Frau Nahles konsequent“, sagt Hackl. Das neue Interimstrio aus Schwesig, Dreyer und Schäfer-Gümbel, das die Partei nun bis zur Wahl eines oder einer neuen Vorsitzenden führen soll, hält Hackl für gut: „Das sind drei unterschiedliche Charaktere, die die Partei aber gemeinsam gut führen können.“ Welches Profil wünscht sich Hackl für den Nachfolger oder die Nachfolgerin von Andrea Nahles? „Der oder die Neue muss hohe Kommunikationsfähigkeit, Standhaftigkeit und ein Gespür für politische Stimmungen mitbringen, ohne gleich jedem Trend nachzulaufen.“

SPD-Stadtrat: Umgang mit Nahles war „schäbig“

Der stellvertretende Fraktionschef im Rathaus, Hans H. Pfeifer, hat so seine Erfahrungen mit mangelndem Rückhalt in der Partei. Der erfahrene Kommunalpolitiker wurde beim Nominierungsparteitag der Stuttgarter Genossen aussortiert und erhielt keinen als sicher geltenden Listenplatz. Daraufhin zog er die Konsequenzen und verzichtete auf eine erneute Kandidatur. „Die Lage der Partei ist dramatisch, da fehlen einem fast die Worte“, so Pfeifer. Auch er bekennt, er sei noch nie ein großer Nahles-Fan gewesen. Doch der Umgang mit der Ex-Parteivorsitzenden sei „schäbig“ gewesen, so könne man keine neuen Wählerschichten für die SPD erschließen. „Wie wollen wir Menschen motivieren, bei uns mitzumachen, wenn wir mit unseren eigenen Leuten so umgehen“, mahnt der scheidende Stadtrat. Auch er wünscht sich nach der Übergangsphase eine Person an der Parteispitze, die integrieren und zusammenführen kann. „Es müssen auch wieder mehr inhaltliche Anstöße kommen, und nicht zuletzt geht es um eine gute Kommunikation nach innen und außen“, so Pfeifer. Das provisorische Führungstrio hält er für „integre Personen, die eine persönliche und politische Lebensleistung aufzuweisen haben“.