Raser-Wahnsinn in Deutschland: Die Straßen werden zur Todeszone. Foto: dpa

Zwei junge Männer spielen mitten in Köln Formel 1, eine Studentin auf dem Rad bezahlt dafür mit dem Leben. Das Urteil ist dem BGH zu milde. Raser können nicht mehr auf Gnade hoffen.

Stuttgart/Karlsruhe -

Kein Urteil der Welt kann Miriam zurückbringen. Am 14. April 2015 warten ihre Eltern und der Freund vergeblich mit dem Abendessen auf die 19-Jährige. Gegen 18.45 Uhr ist Miriam mit dem Rad auf dem Rückweg von der Universität, als ihr im Kölner Auenweg zwei Autos um die Wette wie wild entgegenrasen. Als es das eine aus der Kurve trägt, ist sie zur falschen Zeit am falschen Ort. Die 19-Jährige wird in ein Gebüsch geschleudert, kurz darauf stirbt sie.

Zu mild: Der BGH hebt das Kölner Urteil auf

Das Landgericht Köln hat die zur Tatzeit 21 und 22 Jahre alten Männer am Steuer im April 2016 zu zwei Jahren beziehungsweise 21 Monaten Haft verurteilt – auf Bewährung. Für die Familie völlig unverständlich: Das Urteil sei „wie ein Freispruch“ gewesen, so sagte der Vater.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dies an diesem Donnerstag in letztrichterlicher Instanz korrigiert. Hier gebe es Begründungsmängel, sagte die Vorsitzende Richterin Beate Sost-Scheible in Karlsruhe. Insbesondere hätte das Kölner Gericht bedenken müssen, wie sich die Aussetzung der Strafen zur Bewährung auf das Rechtsempfinden der Bevölkerung auswirken müsse. Der Fall muss bezüglich des Strafmaßes neu entschieden werden.

Illegale Autorennen – und wieder Berlin

Miriam ist nicht die erste, die in den vergangenen Jahren wegen einer illegalen PS-Protzerei ihr Leben verloren hat. Berlin, Freiburg, Köln, Karlsruhe, Mönchengladbach: Alle paar Monate schreckt ein neuer Fall die Öffentlichkeit auf. Zuletzt erst Mittwochnacht. Wieder Berlin.

Zwei Wagen rasen über den Asphalt der Hauptstadt. Einer von ihnen prallt mit anderen Autos zusammen. Ein 27-jähriger Unbeteiligter wird schwer verletzt. Die Renn-Rowdys lassen ihn blutüberströmt liegen, begehen Fahrerflucht. Mitte Juni stirbt in Mönchengladbach ein Fußgänger, weil drei Autofahrer sich ein Rennen lieferten.

Welche Strafe ist angemessen?

Bisher urteilten die Richter meist milde, weil das Strafgesetzbuch solche Delikte als fahrlässige Tötung einstufte. Spätestens seit dem 27. Februar 2017 ist die Diskussion voll entbrannt. Damals sprach das Berliner Landgericht ein aufsehenerregendes Urteil gegen zwei Raser. Lebenslange Haft wegen Mordes – so eine Entscheidung gab es noch nie.

Die Männer waren nachts mit 160 Stundenkilometern den Ku’damm entlanggerast. Einen 69-Jährigen, der mit seinem Jeep unterwegs war, rammten sie in den Tod. Auch der Todesfahrer aus Mönchengladbach steht unter Mordverdacht.

„Der Knackpunkt liegt in der Gesinnung der Fahrer“

Aber die Fälle sind verschieden und mit dem Strafrecht in seiner bisherigen Form manchmal schwer zu fassen. „Der Knackpunkt liegt in der Gesinnung und Einstellung der Fahrer. Der Schritt der Berliner Richter, die in ihrem Urteil einen bedingten Vorsatz angenommen haben, ist ein neuer Weg in der Rechtsprechung“, erklärt Carsten Staub, Fachanwalt für Verkehrsrecht aus dem nordrhein-westfälischen Mettmann. Auch bei schweren Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung, die zum Tod von Menschen führten, seien die Täter glimpflich davongekommen, sagt der Verkehrsrechtler.

Bundestag verschärft Raser-Gesetz

Damit dürfte Schluss sein: Am 29. Juni hat der deutsche Bundestag bereits die Verschärfung des „Raser-Paragrafen“ 315 des Strafgesetzbuches verabschiedet. Wer an illegalen Autorennen teilnimmt, dem drohen jetzt bis zu zehn Jahre Gefängnis, Führerschein- und Fahrzeugentzug. Es fehlt nur noch der Beschluss im Bundesrat am 22. September.

Künftige Urteile gegen Todesraser dürften so oder so einheitlicher ausfallen. „Das ist das Schlimmste, was sie Rasern antun können“, sagt Staub, „ihnen das Tatwerkzeug wegzunehmen.“

Erstes Urteil nach BGH-Entscheid

Manchmal geht es ganz schnell: Unter Verweis auf die Karlsruher Entscheidung verurteilte das Amtsgericht Saarlouis am Donnerstag einen 23-jährigen Raser zu drei Jahren Haft. Der Mann war im August 2016 in eine Gruppe Jugendlicher gefahren und hatte dabei eine 14-Jährige getötet.