Zwei Promis im Cockpit: Renn-Routinier Heinz-Harald Frentzen (re.) unterweist Motorsport-Novize Sven Hannawald Foto: Baumann

Als Sven Hannawald im Cockpit einer Corvette im GT Masters auftauchte, war das Interesse immens. Der Ex-Skispringer war nicht der erste Umsteiger, und er wird sicher nicht der letzte sein. Es lohnt sich für alle Beteiligten.

Stuttgart/Chilecito - Für Adam Malysz endete die Rallye Dakar in Etappe zwei spektakulär. Das Auto des Polen brannte nach einer Explosion wie ein Sonnwendfeuer, Fahrer und Co-Pilot blieben unverletzt, aber die Reisepässe lösten sich in Rauch auf. Eine Meldung, wie sie bei der Königin der Rallyes nicht ungewöhnlich ist – dennoch erregte sie einige Aufmerksamkeit. Malysz war zwar kein Anwärter auf den Sieg, doch der 37-Jährige ist ein Promi. In seiner ersten Sport-Karriere war der Mann Skisprung-Star. Er war Weltmeister, Weltcup-Gewinner, Sieger der Vierschanzentournee, und ihm gehören drei Olympia-Medaillen.

Malysz ist nicht der erste Umsteiger, der ins Cockpit eines Rennautos klettert. Prominente Fahranfänger sind recht zahlreich: Jean-Marie Pfaff, Ex-Torhüter des FC Bayern, und Skirennläufer Luc Alphand suchten in der Rallye Dakar eine prickelnde Herausforderung – der Belgier Pfaff war 2003 Fahrer eines Trucks; Alphand bewies, dass er nicht nur auf zwei Skiern, sondern auch auf vier Rädern das besondere Feingefühl mitbringt und den nötigen Mut besitzt. Alphand siegte 2006 im Mitsubishi, der Franzose war der erste Dakar-Triumphator, der auf dem zweiten Bildungsweg zum Motorsport fand.

Auto fahren kann so ziemlich jeder, und schnell Auto fahren macht eben Spaß – viele fühlen sich berufen. Musiker Smudo von den Fantastischen Vier, Hollywood-Star Patrick Dempsey, Ex-Schwimmer Marc Warnecke, der frühere Bob-Pilot Christoph Langen, Sven Hannawald – die Liste der Promis auf den Pisten könnte lässig verlängert werden. Wie Malysz zählte Hannawald zur Spezies der Skispringer, wie den Polen reizte den Sachsen das gekonnte Zusammenspiel von Brems- und Gasfuß. „Als Jugendlicher bastelte ich oft am Moped“, erzählt er, „die Leidenschaft für schnelle Fahrzeuge habe ich nie verloren.“ 2004 war Schluss mit den Schanzen – Burn-out. Über einen Bekannten, der bei Audi-Tuner Abt arbeitete, öffnete sich 2005 ein (Auto-)Türchen im Seat- Leon-Supercup. Hannawald ging als Gaststarter ins Rennen. „Das hat Spaß gemacht, aber ich war heillos überfordert“, bekennt der 40-Jährige, „das hat mich frustriert.“

Motorsport aus Jux und Tollerei?

Sein sportlicher Ehrgeiz, nach Perfektion zu streben, war geweckt; er wollte die Geheimnisse des Rennsports erkunden, und so landete er nach einigen Gaststarts in verschiedenen Serien bei Axel Watter. Der Filderstädter Manager tüftelte einen Karriereplan aus, besorgte Hannawald den ehemaligen DTM-Piloten Thomas Jäger als Fahrlehrer und brachte die beiden 2010 bei einem Team in der Rennserie ADAC GT Masters unter. Ein Profi und ein Amateur bildeten ein Team, es gab eine getrennte und eine gemeinsame Wertung. „Die Serie war wie auf mich zugeschnitten“, sagt Hannawald, „ich machte echte Fortschritte.“ Ergebnislisten lügen nicht: In der Amateur-Wertung belegte der Ex-Skiflieger am Ende Rang zwei.

Heinz-Harald Frentzen war danach Hannawalds Instruktor und Partner in der GT Masters. Der Formel-1-Vizeweltmeister von 1997 war ein guter Lehrer, „zu Saisonbeginn lag ich vier Sekunden pro Runde vor ihm, am Ende war es noch eine“, sagt Frentzen. Hört sich an, als könne aus jedem ordentlich begabten Autofahrer ein Spitzenpilot werden – ist aber nicht so. Es gilt: Je leistungsstärker die Autos, je mehr Variablen im Set-up verstellt werden können, umso mehr trennt sich die Spreu vom Weizen. Frentzen hat einen guten Vergleich: Wenn ein durchschnittlicher Skifahrer mit Skistar Hermann Maier einen normalen Hang abfährt, kann er gut folgen. Je anspruchsvoller die Strecke wird, umso größer wird der Vorsprung des Profis – so verhält es sich auch bei den Fahrzeugen im Motorsport. „In der Formel 1 würde Sven mehr als zehn Sekunden auf mich verlieren“, vermutet der 47-Jährige, der in Neuss lebt, „die GT Masters zählt zu den Serien, in denen man bestehen kann, auch wenn man nicht von Kindesbeinen an auf dem Kart saß.“ Scirocco-Cup, Seat-Leon-Supercup, Porsche-Carrara-Cup, Porsche-Supercup, alles Serien, in denen Gaststarter oder Rennfahrer auf dem zweiten Bildungsweg nicht nur als rollende Schikane auffallen.

Siegchancen besitzt aber kaum einer, also doch Motorsport aus Jux und Tollerei? Nicht ganz. Motorsport ist Marketing. „Als Christoph Langen einst Marc Warnecke wegen einer Verletzung ersetzen musste“, verrät Watter, „merkten wir, dass das Konzept der Gaststarter ankommt. Also wurde es ausgebaut.“ Es schmückt weniger populäre Serien, wenn sie mit bekannten Namen aus Film, Funk und Fernsehen im Starterfeld aufpoliert werden, mit „Tatort“-Kommissar Richy Müller oder Stratosphären-Springer Felix Baumgartner am Steuer steigt das Interesse – die Vermarktung kommt auf Touren: Fans werden gelockt, was die Veranstalter erfreut, überregionale Medien berichten, und TV-Sender übertragen, das macht die Sponsoren glücklich. „Hannawald und Frentzen waren ein Gewinn fürs GT Masters“, sagt Watter, „es dreht sich alles um Namen.“ Von nichts kommt aber nichts. Für ein Team sind über eine halbe Million Euro pro Jahr fällig – fürs Auto, fürs Salär von Profi und Promi sowie für Versicherungsprämien. Offenbar profitieren alle Beteiligten, würde einer nur Verlust einfahren, wären Gaststarter und Promi-Piloten bald Geschichte.

Watter hat bereits den Nächsten parat. Heinz Müller (36), einst Bundesliga-Keeper beim FSV Mainz und bis Dezember Torwart-Praktikant beim FC Bayern, soll 2015 im GT Masters starten. „Fußball geht immer“, sagt der Mann aus Filderstadt und scherzt: „Marco Reus im Aston Martin wäre ein Knaller.“ Theoretisch wäre es möglich, den Nationalspieler ins Cockpit zu setzen: Für eine Rennlizenz ist kein Führerschein nötig.