Rainer Adrion: Der VfB-Nachwuchschef und Ex-U-21-Trainer will das 0:5 gegen Portugal nicht überbewerten Foto: Baumann

Rainer Adrion nimmt die Schärfe raus. Sachlich bewertet der ehemalige U-21-Trainer die 0:5-Pleite der deutschen Junioren im EM-Halbfinale gegen Portugal: „Der Hype nach der erreichten Olympia-Teilnahme war groß. Vielleicht haben sich die Prioritäten verschoben“, sagt der sportliche Leiter U 23 bis U 17 beim VfB Stuttgart und ergänzt: „Ich mache mir keine Sorgen um den deutschen Nachwuchs.“

Stuttgart - Herr Adrion, die deutsche U 21 erlebte im EM-Halbfinale gegen Portugal ein Debakel. Wie bedenklich ist das?
Wir müssen uns keine Sorgen machen. So ein Ergebnis wie dieses 0:5 kann passieren. Brasilien hat im WM-Halbfinale 2014 gegen Deutschland auch mit 1:7 verloren.
Wie erklären Sie sich die Abfuhr?
Die deutsche Mannschaft konnte ihre Leistung nicht abrufen, und die Portugiesen erwischten eine Sternstunde. In der Weltspitze geht es eng zu. Da machen die Topspieler den Unterschied aus. Bernardo Silva und William Carvalho sind eine Klasse für sich.
Warum zeigte das deutsche Kollektiv so wenig Gegenwehr, so wenig Emotionen?
Das ist aus der Ferne schwer zu beurteilen, Horst Hrubesch und sein Trainerteam müssen das Spiel genau analysieren. Möglicherweise war es ein Kopfproblem. Der Hype und die Aufmerksamkeit nach der erreichten Olympia-Teilnahme waren groß. Vielleicht haben sich die Prioritäten verschoben.
Dabei kann ein Titelgewinn die Entwicklung der jungen Spieler doch fördern.
Natürlich, so einen Titel nimmt einem keiner mehr. Die Spieler kehren mit großem Selbstvertrauen in ihre Vereine zurück.
Wie die U-21-Europameister von 2009.
Diese Elf, die damals in Schweden den Titel holte, ist das Paradebeispiel. Manuel Neuer, Mesut Özil, Mats Hummels, Jérôme Boateng, Benedikt Höwedes und Kapitän Sami Khedria waren die Stützen dieser goldenen Generation. Was aus ihnen wurde, weiß jeder. Aber eines darf man nicht vergessen.
Bitte.
Es geht schnell im Juniorenbereich. Innerhalb von zwei Jahren kann sich vieles verändern. Spanien ist das beste Beispiel. Ihre U 21 zauberte bei der EM 2013, spielte die Gegner in Grund und Boden und holte den Titel. Bei der aktuellen EM aber war die spanische U 21 gar nicht dabei, weil sie in der Qualifikation an Serbien gescheitert war.
Ist für die deutsche Elf die Teilnahme an den Olympischen Spielen ein Trostpflaster?
Auf jeden Fall. Die Halbfinal-Teilnahme und das Rio-Ticket sind keine so schlechte Bilanz. Und von Olympia 1988 in Seoul und dem Gewinn der Bronzemedaille schwärmen Spieler wie Jürgen Klinsmann, Thomas Häßler und Kalle Riedle heute noch.
Gleich acht Spieler, die zur Qualifikation beitrugen, dürfen 2016 in Rio nicht dabei sein . . .
. . . weil sie dann älter als 23 sind, ja. Das ist sicher schade für Spieler wie Bernd Leno, Marc-André ter Stegen oder Kevin Volland, aber immerhin drei ältere Spieler dürfen nominiert werden.
Philipp Lahm soll Interesse signalisiert haben. Wäre es sinnvoll, wenn er in Brasilien am Ball sein würde?
Rein sportlich betrachtet schon. Bei ihm müsste man sich wegen der Einstellung sicher keine Gedanken machen.
Zlatan Ibrahimovic verdient zehn Millionen Euro netto pro Jahr und möchte für Schweden bei Olympia spielen. Wie finden Sie das?
Das müssen die Schweden entscheiden.
Zurück zum deutschen Nachwuchs: Auch die U 20 scheiterte vor kurzem bei der WM in Neuseeland im Viertelfinale an Mali. Wann gibt es den nächsten Titel?
Das kann man nicht vorhersehen. Aber vielleicht ja schon bei der U-19-EM, die am 6. Juli in Griechenland beginnt.
Dort sind dann auch einige VfB-Spieler dabei.
Worauf wir durchaus stolz sind. Im Team von Marcus Sorg stehen Marius Funk, Timo Baumgartl und Timo Werner. Für Österreich sind Adrian Grbic, Stefan Peric und Daniel Ripic am Ball.