Felix Klare (re.) kam 1978 auf die Welt, ein Jahr nach der sogenannten Todesnacht von Stammheim. Aber Richy Müller kann sich noch gut an den Deutschen Herbst erinnern. Foto: dpa

Schatten der Vergangenheit: in diesem Tagen dreht der SWR in Stuttgart einen neuen „Tatort“, der an die RAF und viele offene Fragen erinnert.

Stuttgart - Natürlich hätte man gern in der JVA Stammheim gedreht, die während der RAF-Prozesse Geschichte schrieb. In dieser Woche haben der Regisseur Dominik Graf und sein Fernsehteam dem legendären Gefängnis einen Besuch abgestattet, allerdings nicht zu Dreharbeiten. „Wir waren dort, um die Zellen nachbauen zu können“, sagt Dominik Graf. Denn der Stuttgart-„Tatort“ „Der rote Schatten“, der im Oktober ausgestrahlt werden soll, taucht tief in die Vergangenheit ein und knüpft an den Deutschen Herbst an: Angeblich stirbt eine Frau bei einem Unfall. Ihr Lebensgefährte aber war in den Siebzigerjahren für den Verfassungsschutz gegen die RAF eingesetzt. Deshalb beginnen die Kommissare mit der Ermittlung.

Derzeit ist das Fernseh-Team an vielen Ecken Stuttgarts unterwegs, am gestrigen Donnerstag wurde in der Gausstraße gedreht. „Eine große logistische Herausforderung“, sagt der Ludwigsburger Produzent Jochen Laube, da die Verkehrssituation in der Stadt auch Filmteams das Leben schwer macht. Der Regisseur Dominik Graf ist sogar überzeugt: „Stuttgart hat die längsten Ampelphasen von ganz Deutschland.“ Auch in der nächsten Woche stehen Richy Müller und Felix Klare als Kommissare Lannert und Bootz noch in der Stadt vor der Kamera, während die Szenen auf dem Kommissariat in Baden-Baden gedreht werden.

Viele Verdruckstheiten und Verlogenheiten

„Der rote Schatten“, das verrät Dominik Graf schon jetzt, soll alles andere als ein „braver ,Tatort’“ werden, sondern will „etwas riskieren“, so der erfolgreiche Film- und Fernsehregisseur. Er gehe „weit in offene Fragen hinein“. Denn ambivalent ist der Stoff durchaus, da es im Zusammenhang mit dem RAF-Terrorismus auch auf staatlicher Seite zu Fehlern und Versäumnissen kam. Es gebe sehr wohl „verbrecherische Energie in den Staatsdiensten“, meint Dominik Graf. Man müsse allerdings unterscheiden zwischen „verbrecherischen Absichten innerhalb des Staatsapparats und unfassbaren Pannen und Schlamperei.“

Ob es um den Zweiten Weltkrieg, die DDR oder die RAF geht, er ist überzeugt, dass es „viele Verdruckstheiten und Verlogenheiten“ gibt. „In Deutschland wird viel unter den Teppich gekehrt“, meint Graf. Sein „Tatort“, der auf einem realen Fall basiert, könne zwar keine Lösungen anbieten, soll aber Fragen aufwerfen. Die zuständige SWR-Redakteurin Brigitte Dithard hofft sogar, dass diese Fragen „womöglich dazu führen, anders über die Dinge nachzudenken.“

Richy Müller, der den Kommissar Lannert spielt, kann sich noch gut an den Deutschen Herbst erinnern. „Wir haben das am eigenen Leib erlebt“, erzählt er. Der gebürtige Mannheimer besuchte damals in Bochum die Schauspielschule. „Auf der Autobahn bin ich oft in RAF-Sperren gekommen, bei denen man aus dem Auto gezogen wurde.“ Viele hätten damals Sympathien für den Protest der jungen Generation gehabt, sagt er, „dass das so geendet ist, ist bitter“. Umso wichtiger findet er, auch mit einem Krimi daran zu erinnern, „dass es nicht so lange her ist, dass der Terror auf der Straße war.“

Auch dokumentarische Material kommt zum Einsatz

Felix Klare kam 1978 auf die Welt, ein Jahr nach der sogenannten Todesnacht von Stammheim, in der die Anführer der RAF Selbstmord begingen. „Es steht in unserer Verantwortung, sich damit zu beschäftigen“, meint Klare. Er spiele allerdings „im Heute“, da er die Zeit nicht mehr erlebt hat. „Aber ich kann das gut benutzen für die Figur, die das aus einem anderen Blickwinkel erlebt.“

Anders als bei den meisten Krimis, wird bei „Der rote Schatten“ auch dokumentarisches Material zum Einsatz kommen, einige historische Szenen dreht Dominik Graf auch nach. Aber auch hier will er sich nicht brav der „Versklavung“ unterordnen, durch die Verfilmungen historischer Stoffe oftmals „vor lauter Präzision der Abbildung des Authentischen sehr bieder“ geraten würden, wie er meint. Der Film zeige eine „eigene persönliche Sicht“ auf die Dinge und sei nicht „das kleinste gemeinsame Vielfache, auf das wir uns an Moral und Verantwortung und Geschichte einigen konnten.“