Fahrradstraßen wie hier die Eberhardstraße hätte die Verkehrsplanerin Éva Ádám gerne mehr in Stuttgart. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Stuttgarts neue Radbeauftragte setzt erste Impulse und fordert mehr gesicherte Parkmöglichkeiten – für Fahrräder. Am Bahnhof sollen noch in diesem Jahr zwei Fahrradgaragen entstehen. Und es soll sich noch mehr ändern im Sinne des Radverkehrs.

Stuttgart - Es regnet, aber das stört Éva Ádám nicht. Natürlich kommt die Frau mit dem Rad zum Termin in die Tübinger Straße – und sieht sich dabei gleich mit einem Problemfeld im Stuttgarter Radverkehr konfrontiert. Trotz Mistwetter ist gerade noch ein Stellplatz unter der Paulinenbrücke für ihr Velo frei. „Auch daran sollten wir arbeiten“, sagt die gebürtige Ungarin und kettet ihr Fahrrad an den Metallbügel. Die Verkehrsplanerin ist seit dem 1. Januar Stuttgarts neue Fahrradbeauftragte. Die Nachfolgerin von Claus Köhnlein hat zuvor in der Schweiz in Bern und Solothurn und bis Ende 2018 in Leonberg an der Entwicklung des urbanen Radverkehrs gearbeitet. In der Großen Kreisstadt betreute die Diplom-Geografin zum Beispiel den Aufbau von Radstationen und hat das „Radhäusle“, einen Veloparkplatz am Bahnhof, vorangebracht.

Die 40-jährige Verkehrsplanerin hat die ersten 100 Tage im neuen Amt in Stuttgart hinter sich und auf ihren Fahrten mit dem Rennrad von ihrem Wohnort Fellbach in die City schon einiges gesehen, auch an neuralgischen Punkten. „Zwischen meiner Wohnung und dem Rathaus muss ich auf dem Radweg über 16 Ampeln“, sagt sie. Das sei natürlich alles andere als ideal. Ebenso die Führung der Hauptradroute 1 stadtauswärts im Bereich des Cannstatter Wilhelmsplatz, wo die Route zu eng und deshalb zu gefährlich sei. Arbeit wartet also genug auf Éva Ádám in den nächsten Jahren.

Schon wieder neun Prozent mehr Radfahrten

Und das in einer Stadt, in der sich immer mehr Menschen in den Sattel schwingen. Von Jahresbeginn bis zum 27. April wurden an den Radzählstellen auf der König-Karls-Brücke und in der Böblinger Straße in Kaltental knapp 311 000 Radfahrten gezählt, das sind gut neun Prozent mehr als im vergleichbaren Zeitraum des Vorjahres (285 000), das ja mit der Rekordzahl von knapp einer Million Fahrten endete. Diese Marke wird 2019 wohl locker getoppt werden, verhindern könnte dies wahrscheinlich nur noch ein komplett verregneter Sommer.

Aber auch der könnte den Trend nicht umkehren, den sich ja auch die Stadt als Folge eines Bürgerbegehrens auf ihre Fahne geschrieben hat. Nach einem Beschluss des Gemeinderats vom Februar soll Stuttgart eine „echte Fahrradstadt“ werden , sollen 2030 ein Viertel aller Fahrten in der Stadt auf zwei Rädern erledigt werden. Das Umfeld für Éva Ádám kann man also durchaus positiv sehen. Ihre Visionen auch: „Ein großes Ziel ist es, rund um die City einen Ring für den Radverkehr zu ziehen“, sagt sie. Und das mit so genannten „Protected Bike Lanes“, also Verkehrsflächen, die ausschließlich für Radler und auch geschützt sind. Daraus ergibt sich als weiteres Ziel, künftige Planungen darauf zu fokussieren, den Radverkehr komplett weg von Gehwegen zu bekommen und auch mehr Fahrradstraßen auszuweisen. „Aber das wird dauern“, sagt Éva Ádám, „Geld ist da, aber die Umsetzung ist eben oft kompliziert.“ Deshalb sei sie insgesamt „optimistisch aber auch realistisch.“ Sie selbst erledigt übrigens nahezu alle Alltagsfahrten ohne Auto und kommt so auf etwa 25 Kilometer am Tag im Sattel oder auf Inlinern.

Öffentlichen Nahverkehr besser mit dem Rad verknüpfen

Dabei hat sie auch ein Problem ausgemacht, das sie jetzt bereits angegangen hat. „Wir brauchen für den zunehmenden Radverkehr dringend mehr gesicherte Parkflächen“, sagt sie. Im Bereich des Bahnhofs sollen deshalb noch in diesem Jahr zwei Fahrradgaragen mit jeweils 80 abschließbaren Plätzen entstehen, die man über eine App buchen kann. Bei dem Projekt wurde für sie dann sichtbar, dass die Mühlen der Bürokratie langsamer malen, als Ideen produziert werden. Für eine der Parkanlagen müssten vier Fahnenmasten bis zum Ende der Bauarbeiten für S 21 weichen. Der Weg dorthin ist aber noch weit.

Deutlich größeres Konfliktpotenzial liegt aber in der Entwicklung von Radwegen, wenn dafür Parkplätze für Autos weichen müssen. „Man versucht das zwar zu vermeiden, wenn man aber Radwege an den Straßen, also auf dem direkten Weg, führen will, dann geht es eben manchmal nicht anders“, sagt Éva Ádám. Aus ihrer Sicht müssen deshalb auch in Kaltental entlang der Hauptradroute 1 stadteinwärts Parkplätze aufgegeben werden. Wichtig sei künftig auch, den öffentlichen Nahverkehr mehr mit dem Rad zu verknüpfen, vor allem was das Mitnehmen von Fahrrädern in Bussen und Bahnen angeht.

Arbeitsfelder sieht die neue Radbeauftragte also viele. Auch was Überzeugungsarbeit angeht. In puncto Akzeptanz des Radverkehrs würde Stuttgart nämlich hinter dem herhinken, was sie zum Beispiel in ihren vier Jahren in der Schweiz erlebt hat. Dort seien Fußgänger, Rad- und Autofahrer meist Partner im Verkehr, hier noch viel zu oft Gegner.