Jürgen Colombo, der Olympiasieger und mehrmalige deutsche Meister, der mittlerweile in Oeffingen lebt, ist immer noch aktiv. Foto: Michael Käfer

Jürgen Colombo hat erst mit 14 begonnen und 1972 in München die Goldmedaille in der 4000-Meter-Mannschaftsverfolgung gewonnen. Der 68-Jährige ist mit seiner Lebensgefährtin Susanne König noch gerne auf dem Rad unterwegs.

Oeffingen - Der Sieg beim größten Sportereignis der Welt scheint eine ganz einfache Sache zu sein. „Nach 16 Kilometern bist du Olympiasieger“, schildert Jürgen Colombo die Stunde seines größten sportlichen Triumphs in eher nüchternem Tonfall. Zusammen mit Günter Haritz, Udo Hempel und Günther Schumacher hat der mittlerweile 68-Jährige bei den Olympischen Spielen 1972 in München die Goldmedaille in der 4000-Meter-Mannschaftsverfolgung gewonnen.

Vier Läufe galt es dafür zu gewinnen, was dem deutschen Bahnvierer auch eindrucksvoll gelang, obwohl Jürgen Colombo sich und seine drei Gefährten zuvor nicht als Favoriten betrachtet hatte. Speziell im Finale gegen die Mannschaft der DDR gab die westdeutsche Auswahl Vollgas. Vier Jahre zuvor, bei den Spielen in Mexiko, hatte ein – aus Sicht des nicht mitfahrenden Jürgen Colombo – unberechtigter Protest zum Verlust der Goldmedaille für die westdeutsche Equipe geführt. Angeblich hatte Jürgen Kißner seine drei Mitfahrer angeschoben. „Bei Tempo 60 ist das Unsinn“, sagt der seit fünf Jahren in Oeffingen wohnende Jürgen Colombo. Nach dem Finalsieg von 1972 war die Freude dann umso größer: Die eigentlich nicht vorgesehene Ehrenrunde im Münchner Radstadion absolvierten die Radler zu Fuß, und der Abend im Kneipenviertel Schwabing wurde lang.

Bereits 1969 gewann er an der Seite von Siegfried Müller seinen ersten deutschen Meistertitel

Für Jürgen Colombo war es ein rascher sportlicher Aufstieg. Erst im Alter von 14 Jahren hatte er mit dem Radsport begonnen. Der gebürtige Schlesier traf sich mit einigen Gleichgesinnten regelmäßig auf einem Platz in seinem damaligen Wohnort Leonberg zu einer Art von simulierten Motorradrennen. Die Zweiräder waren allerdings unmotorisiert, und einige dazukommende Radsportler entdeckten das Talent von Jürgen Colombo. Bereits 1969 gewann er an der Seite von Siegfried Müller seinen ersten deutschen Meistertitel im Zweier-Mannschaftsfahren, also im Madison. Der württembergische Straßenmeister war erst kurz zuvor von der Radsportlegende Karl Link zum Wechsel auf die Bahn überredet worden. Offenbar ein weiser Ratschlag, denn neben dem Olympiasieg und der Bronzemedaille bei den Weltmeisterschaften 1971 im italienischen Varese sammelte Jürgen Colombo auch noch fünf nationale Titel auf der Bahn ein. Hinzu kam die deutsche Meisterschaft im 100-Kilometer-Mannschaftszeitfahren auf der Straße, die das Rad-Ass im Jahr 1975 errang.

Über diesen Titel freut sich Jürgen Colombo besonders, denn „man hat mir nachgesagt, ein fauler Hund zu sein“. Wer allerdings 100 Kilometer in etwas mehr als zwei Stunden radelt, der hat offensichtlich viele Trainingskilometer in den Beinen. Gleichwohl waren die Trainingsumfänge damals allgemein geringer, als dies bei heutigen Radsportlern der Fall ist. Auf 15 000, allenfalls 20 000 Kilometer schätzt Jürgen Colombo sein damaliges Jahrespensum auf dem Rad, das sich vor allem auf die warmen Monate konzentrierte. Im Winter hielt er sich am Herzogenhorn beim Skilanglauf fit oder schwitzte dort zusammen mit den Gewichthebern im Kraftraum.

Täglich wurden Gewicht, Blutdruck und Pulswerte gemessen

Großen Raum im Training nahmen spezielle Antrittsübungen und Intervallfahrten auf der Radrennbahn ein, die zwar anstrengend waren, aber zu keinen allzu umfangreichen Kilometerleistungen führten. Dass der erhebliche Trainingsaufwand überhaupt möglich war, hatte Jürgen Colombo einem schwäbischen Autobauer zu verdanken: „Durch den Sport bin ich zum Daimler gekommen.“ Der auf Schriftenmalerei spezialisierte Malergeselle arbeitete zunächst in der Bauabteilung. Später profitierte er von der firmeneigenen Sportförderung. Angestellt als Übungsleiter für den Firmensport der Lehrlinge genoss er beim Autobauer weitgehende Freiheiten. „Im Olympiajahr war ich zu 60 Prozent unterwegs – fast wie ein Profi“, sagt Jürgen Colombo.

In den vier Wochen, die der Radsportler im olympischen Dorf verbrachte, führte der Nationaltrainer Gustav Kilian ein strenges Regiment. Bewaffnet mit Gabel und Platte ging er buchstäblich auf Schnitzel-Jagd und sammelte die seiner Ansicht nach allzu zahlreichen Fleischstücke von den Tellern seiner Athleten ein. Nur ein schlanker Athlet konnte nach seiner Ansicht Erfolg haben. Täglich wurden Gewicht, Blutdruck und Pulswerte gemessen. „Er hat schon gewusst, was er mit uns macht“, sagt Jürgen Colombo über den „eisernen Gustav“, dessen Sportler bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften 36 Medaillen errungen haben.

Auch nach seiner Karriere profitierte Jürgen Colombo vom Radsport, dem er beruflich als freier Handelsvertreter für einen Fahrradhersteller erhalten blieb. Nach wie vor ist er gerne mit seiner Lebensgefährtin Susanne König in und um Oeffingen auf dem Rad unterwegs – unter anderem für die Tour Ginkgo, die Geld für kranke Kinder sammelt.