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Verteidigungsminister Guttenberg kündigte einen radikalen Umbau der Streitkräfte an.

Berlin  - Die Bundeswehr steht vor der tiefgreifendsten Reform ihrer Geschichte. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kündigte am Dienstag einen radikalen Umbau der Streitkräfte und auch des eigenen Ministeriums an.

Grundlage dafür sollen die Vorschläge einer Expertenkommission sein, die nach einem halben Jahr Arbeit ihren Abschlussbericht vorlegte. Wichtigster Punkt ist neben der Aussetzung der Wehrpflicht eine drastische Verkleinerung der Streitkräfte von derzeit 250.000 auf nur noch etwa 180.000 Soldaten. Das Zivilpersonal soll von derzeit 100.000 auf etwa 50.000 Beschäftigte halbiert werden.

Wehrdienst "auf absehbare Zeit nicht mehr erforderlich"

Der Bericht der Strukturkommission bedeutet für Guttenberg weitere Unterstützung für seine umfassenden Reformpläne. Die sechs Experten unter Leitung von Arbeitsagentur-Chef Frank-Jürgen Weise plädieren darin auch für ein Aussetzen der Wehrpflicht. Der allgemeine Wehrdienst für junge Männer sei "auf absehbare Zeit nicht mehr erforderlich".

Auch das Ministerium bleibt von den Reformplänen nicht ausgenommen. Die Kommission schlägt vor, die Ministerialbürokratie um mehr als die Hälfte auf unter 1500 Dienstposten zu verkleinern und in Berlin zusammenzuführen. Bislang hat das Ministerium seinen Hauptsitz noch in Bonn. Zudem soll die Führungsstruktur des Hauses gestrafft werden. Statt derzeit 17 soll es nur noch 7 Abteilungen geben. Der Generalinspekteur der Bundeswehr soll zum "Oberkommandierenden der Streitkräfte" aufgewertet werden.

Guttenberg bezeichnete die Vorschläge als "exzellente" Vorarbeit für die eigene Beurteilung, die bis Ende Januar folgen soll. Die Bundeswehr sei heute "nicht mehr auf der Höhe der Zeit". "Mit kosmetischen Maßnahmen allein wird es nicht getan sein." Der Minister stellte aber auch klar, dass er die Vorschläge nicht eins zu eins umsetzen will. Als Zeitrahmen für die Bundeswehrreform nannte er fünf bis acht Jahre. Die Umstrukturierung des Ministeriums soll dagegen schon innerhalb von zwei Jahren abgeschlossen sein.

Ministeriumssitz: Berlin oder Bonn?

Zurückhaltend äußerte sich der CSU-Politiker zu dem Vorschlag, das Ministerium ganz nach Berlin zu verlegen. Dabei müsse das bestehende Umzugsgesetz beachtet werden. Klar sei aber auch, dass sich in der Ministeriumsspitze "etwas Grundsätzliches tun muss". Erwartet wird, dass sich in der Ministerialbürokratie großen Widerstand gegen einen Umzug nach Berlin regen wird.

Guttenberg hatte die Kommission im vergangenen April eingesetzt, um auch von außerhalb Vorschläge für eine Straffung der Führungs- und Verwaltungsstrukturen der Bundeswehr zu bekommen. Mit der Reform werden sich CDU und CSU auch auf ihren anstehenden Parteitagen befassen. Das Bundeskabinett wird dann vermutlich noch in diesem Jahr die Aussetzung der Wehrpflicht beschließen. Derzeit dauert der Dienst noch sechs Monate.

Die Reform soll vor allem auch dazu dienen, die Bundeswehr besser für Auslandseinsätze zu rüsten. Derzeit sind etwa 7000 deutsche Soldaten an internationalen Einsätzen beteiligt, davon mehr als die Hälfte in Afghanistan. Die Kommission rechnete vor, dass derzeit hinter jedem Soldaten im Auslandseinsatz 35 Soldaten und 15 zivile Arbeiter stehen. Sie schlägt eine Mindestgröße von 14 000 Soldaten im Ausland vor.

Die Experten empfehlen in ihrem 112-Seiten-Bericht aber auch, im bevorstehenden Umbruch "Zeichen der Identität" zu bewahren. Dazu soll die Militärmusik ebenso gehören wie die Sport-Soldaten und das Segelschulschiff "Gorch Fock".