Zwischen dem Autobahnkreuz Leonberg und der Anschlussstelle Stuttgart-Feuerbach ist im Dezember kontrolliert worden Foto: factum/Granville

Weil die Geschwindigkeitsanzeige ausfällt, fahren zig Autofahrer in die Radarfalle. Zu Unrecht, wie nun die zuständige Behörde erklärt. Ein Autofahrer hat zu diesem Zeitpunkt jedoch schon seinen Führerschein für eine begrenzte Zeit abgegeben.

Ditzingen - Mit dem Bußgeldbescheid, der ihm Ende Januar ins Haus flatterte, hatte es der Mann schriftlich: Er war an jenem Freitag im Dezember auf der Autobahn bei Ditzingen geblitzt worden. Statt mit den erlaubten 60 Kilometern pro Stunde war er nach Abzug der Toleranz mit 105 Kilometern pro Stunde unterwegs gewesen. 160 Euro sollte er deshalb zahlen und seinen Führerschein für einen Monat abgeben. Doch der 41-Jährige war sich sicher, dass das Tempolimit nicht angezeigt worden war. Er legte Einspruch ein, versehen mit dem Hinweis auf die Rechtsgrundlage, dass „der Auswahl der Messstelle keine fiskalische Erwägung zugrunde liegen“ dürfe. „Ich fühlte mich ungerecht behandelt und getäuscht“, sagt der Mann, der nicht namentlich genannt werden möchte.

Zwei Wochen später wurde das Verfahren eingestellt, die Behörde nahm den Bußgeldbescheid zurück. Dabei hatte sie noch eine Woche zuvor mitgeteilt, erst nach „Vorlage aussagekräftiger Unterlagen“ über Einspruch und Aussetzung des Fahrverbots zu entscheiden. Die Beschilderung sei schließlich „ordnungsgemäß und deutlich sichtbar aufgestellt“ gewesen. Den Grund für den Sinneswandel nannte die im Regierunspräsidium (RP) Karlsruhe angesiedelte zentrale Bußgeldstelle freilich nicht. Denn: der Blitzer hätte gar nicht blitzen dürfen.

Um 19 Uhr nämlich war wegen einer technischen Störung die digitale Anzeigentafel ausgefallen, die die vorgeschriebene Geschwindigkeit anzeigt. Die Autofahrer konnten also gar nichts von der Beschränkung von Tempo 120 auf 60 wissen, die übrigens wegen einer sanierungsbedürftigen Brücke verfügt worden war. Nach den Angaben des RP-Sprechers Uwe Herzel wurden vom Beginn des Ausfalls um 19 Uhr bis zum Ende der Blitzaktion um 20.45 Uhr exakt 540 der insgesamt 1441 Temposünder dieses Tages registriert.

Vorübergehend auf Tempo 60 begrenzt

Anders als beim stationären Blitzer sei die mobile Anlage, wie sie in diesem Fall im Einsatz war, nicht an die Geschwindigkeitsanzeige gekoppelt, so Herzel. Die Behörde wurde nach eigenen Bekunden deshalb erst auf den Fehler aufmerksam, als sich neben dem 41-Jährigen aus Leinfelden-Echterdingen weitere Fahrer meldeten. „Wir haben daraufhin die Protokolle der Anlage kontrolliert und den Ausfall festgestellt.“

Möglichkeit der Entschädigung

In der Konsequenz bedeutet dies, dass die Behörde 540 Verfahren rückabwickeln muss. Die Fahrzeughalter wurden angeschrieben: In 455 Fällen konnten die Verfahren offenbar problemlos eingestellt werden, denn keiner dieser 455 Autofahrer hatte sein Bußgeld bezahlt gehabt. Jedoch sind laut dem Regierungspräsidium zu diesem Zeitpunkt bereits 85 Bußgeldbescheide rechtskräftig gewesen. Diese Verfahren waren also nicht mehr zu stoppen.

Die Rechtskraft „tritt zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheids ein, wenn in dieser Frist kein Einspruch“ eingeht, erklärt RP-Sprecher Herzel. Die Behörde hatte also bereits Bußgelder kassiert, wie viele, ist unklar. Doch anders als die Stadt Köln, die nach einer unrechtmäßigen Blitzeraktion überwiesene Bußgelder zunächst nicht zurückerstatten wollte, ist die Haltung der Karlsruher klar. „Bereits bezahlte Geldbußen werden erstattet.“

Um abgeschlossene Verfahren rückwirkend einzustellen, muss die Aufnahme des Verfahrens bei Gericht beantragt werden. „Das haben wir bereits von Amtswegen veranlasst“, sagt Herzel. Die Betroffenen müssten nicht tätig werden. Sie würden informiert, wenn ihr Verfahren eingestellt sei, ganz gleich, ob zum Bußgeld ein Fahrverbot auferlegt worden war.

In sieben Fällen waren die Autofahrer mit mehr als Tempo 100 in die Radarfalle geraten. Laut der Polizei wird außerhalb geschlossener Ortschaften ein Fahrverbot fällig, wenn die zulässige Geschwindigkeit um mehr als 40 Stundenkilometer überschritten wird. Bei sechs der sieben verhängten Fahrverbote hatten die Fahrer noch nicht reagiert. In einem Fall aber sei auch dies schon „vollstreckt und erledigt“, so Herzel. Laut einem Juristen an der Uni Mannheim kann auch dieser Autofahrer eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Für ihn gebe es außerdem die Möglichkeit einer Entschädigung.