Foto: Foto: dpa

Nachwuchsnot: Neuweiler im Landkreis Calw bietet jetzt Bauplätze ab 69 Euro im Monat an.

Neuweiler - Kinder sind heute vielerorts eine Rabattgarantie für Bauwillige. Denn die Bevölkerung in Baden-Württemberg schrumpft. Die Gemeinde Neuweiler hat nun das Erbbaurecht von 1919 ausgegraben, um Baugrund billig zu vermieten.

Die kleine Gemeinde mitten im Schwarzwald zwischen Calw, Bad Wildbad und Nagold wirbt mit Bauplätzen für 69 Euro pro Monat. Bauberechtigt sind allerdings nur Familien mit kleinen Kindern. 20 Bauplätze stehen dafür bereit. "Bei uns wird immer fleißig gebaut", sagt Michael Buchwald, Bürgermeister von Neuweiler. Momentan gebe es auch noch kein Problem mit zu wenigen Geburten im Ort mit 3000 Einwohnern. "Den Pillenknick bekommen wir aber jetzt schon zu spüren", sagt er. Wenn künftig weniger Kinder in Neuweiler aufwachsen, würde vor allem dem Kindergarten und der Grund- und Hauptschule das Aus drohen. Läden und Arztpraxen würden folgen und künftige Einkommensteuerzahler fehlten.

Um dem vorzubeugen, hat die Gemeinde das alte Erbbaurecht aus der Versenkung geholt. In den 50er Jahren kam es bundesweit oft zur Anwendung, um Familien mit geringem Einkommen den Traum vom Eigenheim zu erfüllen.

Dabei geht es meist um Grundstücke der Gemeinde oder Kirche. Statt den Boden an Bauwillige zu verkaufen, wird er verpachtet, und zwar auf 99 Jahre. Normalerweise liegt der Pachtzins beim Erbbaurecht bei vier Prozent. Familien mit Kindern zahlen in Neuweiler in den ersten fünf Jahren aber nur 2,5 Prozent. Nach der gesamten Laufzeit fällt das Grundstück wieder zurück an die Gemeinde - mitsamt dem darauf gebauten Haus. Ist das der Fall, muss die Gemeinde dem Besitzer eine Entschädigung von mindestens zwei Drittel des Schätzwerts des Hauses bezahlen. So sehen es die Pläne in Neuweiler vor. "Wir wollen uns aber nicht eine Menge Einfamilienhäuser aneignen", sagt Buchwald. In Neuweiler gibt es deshalb die Möglichkeit, den Platz nach fünf Jahren zum heute gültigen Bauplatzpreis oder später zum geschätzten Wert zu kaufen.

Aber nicht nur Neuweiler und der ländliche Raum sind von Nachwuchsarmut betroffen. Auch Städte haben Probleme. Zwar lässt sich statistisch belegen, dass es junge Erwachsene vor allem in Großstädte zieht. "Das gilt aber nicht unbedingt für Familien mit Kindern", sagt Werner Brachat-Schwarz, Bevölkerungsexperte vom Statistischen Landesamt. Wanderungsbewegungen von Familien werden in der Statistik allerdings nicht erfasst. Stattdessen macht Brachat-Schwarz sie an den Zahlen der unter 18-Jährigen fest. "Sie leben schließlich meist bei ihren Eltern", sagt der Experte.

Bauzuschüsse: Mannheim lag lange vorn

Im Jahr 2008 waren 1100 Kinder und Jugendliche mehr mit ihren Eltern aufs Land gezogen als weggezogen. In die Verdichtungsräume wanderten nur 100 Menschen unter 18 Jahren mehr zu als ab. Im Jahr 1995 sah der Trend noch anders aus: Es zogen per saldo 4000 Minderjährige mehr in den ländlichen Raum als in die Verdichtungsräume. Diese Zahlen zeigen, dass nun auch Städte um Bürger unter 18 Jahren kämpfen müssen.

Im Internet werben auf der Seite der " Aktion pro Eigenheim" über 650 Städte und Gemeinden aus ganz Deutschland für ihre Kinderzuschüsse und andere Begünstigungen für Familien mit Nachwuchs. Darunter sind 59 aus Baden-Württemberg.

Unter der Rubrik "Best Practices" (beste ausgeführte Beispiele) finden sich auch die Angebote der Stadt Stuttgart, die mit zwei Programmen wirbt. "Familienbauprogramm" heißt das eine. Dabei gibt es einen Bauzuschuss von maximal 27.000 Euro und günstige Kredite von der L-Bank. "Preiswertes Eigentum" heißt das andere Stuttgarter Förderprogramm. Familien mit Kindern, Lebensgemeinschaften sowie Alleinerziehende mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren können beim Bau auf den Grund der Stadt bis zu 54.000 Euro sparen. Alle Fördermaßnahmen sind allerdings auch von der Höhe des Einkommens der Eltern abhängig.

Spitzenreiter im Werbeangebot für junge bauwillige Familien war in Baden-Württemberg bisher Mannheim. Dort gab es vom 1. Juli 2008 bis 30. Juni 2009 einen Bauzuschuss in Höhe von 16.500 Euro für das erste Kind, für jedes weitere 1500 Euro. Der Fördertopf ist leer, doch die Stadt plant neue Fördermaßnahmen.

"Um Familien mit Nachwuchs anzuziehen, reicht das Angebot an günstigen Bauplätzen nicht aus", sagt Brachat-Schwarz. "Wohnraum ist nicht mehr so knapp wie in den 90er Jahren." Außerdem seien Kinderbetreuung und eine gute Verbindung zu größeren Städten über öffentliche Verkehrsmittel die tragenden Faktoren, die Familien aufs Land locken.