Nach der Kommunalreform fühlten sich viele Bürger in Harthausen als das fünfte Rad am Filderstädter Wagen, heute ist das Gefühl der Benachteiligung weg. Foto: Thomas Krämer

Die Filder sind im Umbruch. Die früheren Bauerndörfer wandeln sich fast schon in kleine Städte. In einer Serie beleuchten wir die Entwicklung einzelner Quartiere. Diesmal: Harthausen.

Harthausen - Häuser am Wald: Nichts anderes bedeutet Harthausen. Und als der Ort Anfang des 12. Jahrhunderts zum ersten Mal unter diesem Namen erwähnt wurde, muss es folglich ganz anders ausgesehen haben als heute. Denn Wald sucht man auf der über der Filderebene gelegenen Anhöhe bis auf eine Ausnahme vergeblich – den Hain rund um die Hochhaulinde auf der Feldflur an der Esslinger Straße. Er ist der Überrest eines einst 30 Hektar großen Waldes, der 1841 gerodet wurde, um Ackerland zu gewinnen. Was man aber stattdessen am westlichen Ortsrand findet, sind Streuobstwiesen, die für die weiteren Entwicklungsmöglichkeiten des Ortes eine Rolle spielen.

„Harthausen war ein eher armer Ort“, sagt Willi Wurster. Die Höfe der Bauern waren bis auf wenige Ausnahmen klein – „eine Folge der Realteilung“, wie der gebürtige Harthäuser ergänzt. Außerdem sind die Böden auf der Höhe nicht mehr so fruchtbar wie die auf der Filderebene. Eine große Rolle spielte zudem, dass die Markung von Harthausen sehr klein war. Die Äcker der Sielminger Bauern reichten bis an den nördlichen Ortsrand Harthausens. Nicht zuletzt deshalb mussten sich die Menschen ein Nebeneinkommen suchen.

Viele Handwerker verbrachten die Arbeitswoche in Stuttgart

33 Handwerker gab es laut Ortschronik im Jahr 1829 in Harthausen, 29 davon Leinenweber. Damit waren Landwirtschaft und Weberei Mitte des 19. Jahrhunderts die Haupteinnahmenquellen der Harthäuser. „Später kamen auch noch Gipser und Plattenleger dazu“, wie Wurster sagt. Deren Arbeitsort lag oft in Stuttgart. Doch bis zum Bahnhof der 1897 in die Spur gesetzten Filderbahn in Bernhausen musste zuerst fünf Kilometer gelaufen werden. Der Weg war lang, weshalb viele Handwerker die Arbeitswoche in Stuttgart verbrachten. Erst 1925 wurden zwei private Buslinien in Richtung Stuttgart eingerichtet, die die Reise deutlich schneller machten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg zogen mehr und mehr Menschen nach Harthausen. Es kamen zuerst Heimatvertriebene, unter anderem aus Ungarn, dann auch Stuttgarter und andere. Es ist der Filderstädter Stadtteil, der nach 1945 am stärksten wuchs. Gebaut wurde vor allem auf den Äckern im Osten des Ortes. Auch die Kleingärten – sogenannte „Bürgerländchen“ –, auf denen viele Familien Gemüse anbauten, mussten Häusern weichen.

Wo Menschen leben, wird Infrastruktur benötigt. Deshalb wurde 1965 als Ergänzung zur Lindenschule die Jahnschule eröffnet, neun Jahre später kamen in unmittelbarer Nachbarschaft Jahnhalle und Kleinschwimmhalle dazu – ein Jahr, bevor die Gemeinde im Zuge der Kommunalreform Teil von Filderstadt wurde. „Ein möglicher Zusammenschluss mit den Aichtal-Gemeinden war zuvor von den Harthäusern abgelehnt worden“, wie Wurster sagt.

Beim Gewerbegebiet gab es Planungsfehler

Die Vereinigung verlief jedoch nicht ohne Dissonanzen. „Die Harthäuser fühlten sich lange Zeit benachteiligt“, sagt Wurster und zitiert den Spruch vom fünften Rad am Filderstädter Wagen, der Mitte der 1970er Jahre im Ort zu hören war. Heute habe man seiner Ansicht nach nicht mehr das Gefühl, benachteiligt zu sein, sagt der Harthäuser und erinnert in diesem Zusammenhang an den Bau der Sportanlagen. Dass das Gewerbegebiet im Südosten von Harthausen alles andere als günstig liegt, hat mit den einstigen Besitzverhältnissen zu tun. Denn als Harthausen noch eigenständig war, gab es aufgrund der eng gezogenen Markungsgrenzen Ende der 1960er Jahre schlicht und einfach keinen anderen Platz, wo man Unternehmen auf eigenem Grund und Boden ansiedeln konnte. Nikolaus Back führt jedoch auch Planungsfehler an. „Als man das Gebiet für das Gewerbe zugänglich machte, wusste man bereits, dass die B 27 kommt“, so der Stadtarchivar.

Heute leidet man im Ort an der Situation. Denn so ziemlich jeder Lastwagen, jedes Auto, die von der Schnellstraße kommend in das Gewerbegebiet wollen, fahren mitten durch den Ort. „Die Harthäuser Hauptstraße ist dafür zu eng, die Häuser stehen, typisch für ein Arbeiter- und Bauerndorf, bis an die Straße heran“, sagt Wurster. Doch eine einst angedachte Verbindung direkt aus dem Aichtal heraus sei wieder verworfen worden.

Am westlichen Ortsrand gibt es Potenzial zur Entwicklung

Trotz des rasanten Wachstums hält man im Ort bis heute zusammen, auch wenn sich das Gemeinschaftsgefühl durch den starken Zuzug verändert habe, wie Wurster sagt. Nicht ohne Grund hat Harthausen bei der Erarbeitung des Integrierten Stadtteilkonzepts von den Bürgern den Beinamen „gallisches Dorf“ bekommen. Folgt man den derzeitigen Plänen, dann wird Harthausen vor allem das bleiben, was es heute ist: ein Ort vor allem zum Wohnen mit guter Anbindung an den Nahverkehr, Bäcker, Metzger und medizinischer Versorgung, mit Vereinen und Kirchengemeinden – einem „lebendigen innerörtlichen Leben“, wie Wurster sagt. „Wir wollen, dass durch gezielte Entwicklungsmaßnahmen der Stadtteil in der heutigen Prägung erhalten bleibt“, betont Oberbürgermeister Christoph Traub. Damit liegt er mit Wurster auf einer Linie, „Die Harthäuser wollen keine weitere große Entwicklung“, so der ehemalige Stadtrat. Die Versorgungslage sei mittlerweile wieder gut, auch einen Supermarkt gibt es, nachdem von 2007 an für eine gewisse Zeit einmal ein Vakuum geherrscht hatte. „Was der Killesberg für Stuttgart ist, ist Harthausen für die Filder“, sagt Wurster ein wenig schmunzelnd. Er schätzt die umgebende Natur und die fantastische Aussicht auf die Schwäbische Alb.

Ein wenig könnte sich jedoch tun. Der Filderstädter Oberbürgermeister denkt dabei allenfalls an Arrondierungen im Außenbereich. Im Räumlichen Leitbild 2030 wird für Harthausen das Ziel eines ruhigen Wohnstandorts hoher Qualität formuliert. In dem Plan wird zumindest am westlichen Ortsrand „Potenzial für Siedlungsentwicklung gesehen“. Ansonsten würden nach Worten des Stadtplanungschefs Matthias Schneiders Schutzgebiete weiteres Wachstum in den Außenbereich hemmen. Das Leitbild sieht für Harthausen jedoch eine „qualitative Nachverdichtung“ vor. So wird der Sportplatz unmittelbare nördlich der Jahnschule als möglicher Standort für eine Flüchtlingsunterkunft gesehen. Auch „nachhaltiges Wohnen“ hält Schneiders dort für möglich. Doch genau das bereitet Harthäusern Sorgen, so Wurster. Sie würden um den Schulsport fürchten.