Kein Geld mehr: Der Gerberviertelverein kann sich die Dienste von Silvia Korkmaz als Quartiersmanagerin nicht mehr leisten. Foto: STZW

Weil das Einkaufscenter Gerber selbst ins Trudeln geraten war, konnte es den Gerberviertelverein nicht mehr großzügig unterstützen. Nun fehlt sogar das Geld für Quartiersmanagerin Korkmaz. Der Verein steht vor dem Aus.

Stuttgart - In dürren Worten hat Silvia Korkmaz den Mitgliedern des Gerberviertelvereins per E-Mail Ende Mai über das Ende ihres Wirkens als Quartiersmanagerin zum 30. Juni informiert: „Heute ist mein letzter Arbeitstag. Ich möchte mich bei Ihnen ganz herzlich für die tolle Zusammenarbeit und interessanten Diskussionen und Projekte bedanken.“

Einige Mitglieder des Vereins traf diese Nachricht völlig unerwartet wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Darunter auch Rose und Werner Schöll, die prompt reagierten und zurückschrieben: „Mit großem Bedauern hören wir Deine Nachricht. Du warst das Gesicht des Gerberviertels und hinterlässt jetzt eine riesige Lücke.“ Weiter schreiben sie: „Wie das mit dem Verein ohne Dich weitergehen soll steht in den Sternen - vom Vorstand haben wir jedenfalls noch nichts Konkreteres gehört. Wir meinen jedenfalls, dass der Verein ohne Dich tot ist - und ob dem Vorstand dagegen noch ein Rezept einfällt, ist doch sehr zweifelhaft.“

Vorstandschef sieht das Ende nahen

Tatsächlich hat Volker Gairing, erster Vorsitzender des Gerberviertelvereins, derzeit keine zündende Idee. Stattdessen fürchtet auch er, dass der Verein, den Ex-Quartiersmanager Hannes Wolf zur Blüte gebracht hat, schlechte Zukunftschancen hat. Deshalb denkt auch er laut darüber nach, dass manche Mitglieder dem Werben des City-Managers Sven Hahn erliegen könnten. Sollten sich tatsächlich zahlreiche Händler und Dienstleister für einen Übertritt zur City-Initiative Stuttgart (CIS) entschließen, käme das dem Ende des Gerberviertelvereins gleich.

Denn schon jetzt hatte der Verein mit seinen rund 100 Mitgliedern und den 24 000 Euro Mitgliedsbeiträgen kaum Handlungsspielraum. „Daher hatten wir auch keine Mittel mehr, um Frau Korkmaz weiter zu beschäftigen“, sagt Gairing und weint gleichzeitig den Zeiten der Ära Wolf eine Träne hinterher. Dies versteht er jedoch weniger als Kritik am Wirken von Silvia Korkmaz, als einen Hinweis auf den Rückzug des großen Nachbarn. Seitdem das Einkaufscenter Gerber seine Beiträge auf 4500 Euro jährlich reduziert hat, war die Lebensader für den Gerberviertelverein durchtrennt. Die Stelle des Quartiersmanager Wolf musste auf einen Halbtagsposten für Korkmaz reduziert werden. Nicht zuletzt war der Tod des Gründungsmitgliedes und des Netzwerkers Peter Bürkle im Jahr 2017 ein Schlag ins Kontor des Vereins.

Keine Geschlossenheit im Verein

Das hat nicht zuletzt für reichlich Konfliktstoff im Verein geführt. Manches Mitglied soll trotz halben Einsatzes von Mitteln weiterhin vom ganzen Leistungsspektrum eines Quartiersmanagers geträumt haben, heißt es. So habe laut Gairing Kinobetreiber Peter Erasmus sogar den Vorschlag gemacht, den Verein aufzulösen. Inzwischen habe Erasmus seinen Vorstandsposten aufgekündigt.

Aber auch Volker Gairing selbst hängt den nostalgischen Gedanken an die Blütezeit des Vereins nach: „In Hannes Wolf hatten wir einfach eine ideale Konstellation. Er wohnte und arbeitete im Viertel. Und wenn er abends nach Feierabend noch seine Runde drehte, konnte er immer noch Kontaktpflege betreiben.“ Silvia Korkmaz hätte dies ihrer 50-Prozent-Anstellung natürlich nicht leisten können. Etwas verwundert berichtet Gairing auch, dass Silvia Korkmaz sein Angebot abgelehnt habe, ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzende weiterhin ihr Wissen und ihr Netzwerk in den Verein einzubringen.

„Das hat mich zwar geehrt, aber das konnte ich natürlich nicht annehmen“, sagt die ehemalige Quartiersmanagerin, „ich muss ja für meinen Lebensunterhalt sorgen. Aber weil der Verein mir am Herzen liegt, will ich ihn gerne weiterhin als ordentliches Mitglied unterstützen.“ Gleichzeitig sagt sie aber auch: „Wenn es den Verein dann überhaupt noch gibt.“

Kienzle bedauert das Aus von Korkmaz

Diese Gefahr sieht auch Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle, die nicht nur das Aus von Silvia Korkmaz bedauert, sondern auch die Bedeutung des Vereins sieht: „Vor allem in den Anfängen war der Gerberviertelverein bei der Implementierung des Shared Space in der Tübinger Straße ein wichtiger Faktor.“ Aber auch die Erfolge bei der Arbeit, die Nachbarschaft enger zusammenzubringen sowie die Interessen von Handel, Gewerbe und Anwohnern gemeinschaftlich zu vertreten, mache noch heute die Wichtigkeit des Gerberviertelvereins aus. Trotz allem sieht auch Veronika Kienzle die Dinge sehr realistisch: „Vielleicht kann dem Viertel ja auch nichts Besseres passieren, wenn es sich in die Hände der CIS und Sven Hahn begibt.“

Citymanager Hahn selbst legt großen Wert darauf, keine aktive Mitgliederakquise zu betreiben. Auch weil der Gerberviertelverein selbst Mitglied in der CIS sei. Aber es gebe bereits Händler, die schon der CIS angehören. Abschließend sagt er: „Natürlich sind wir immer offen für neue Mitglieder.“