49ers-Quarterback Brock Purdy lässt sich beim Werfen auch unter größtem Druck nicht aus der Ruhe bringen. Foto: IMAGO/Icon Sportswire/IMAGO/Bob Kupbens/Icon Sportswire

Brock Purdy hat einen märchenhaften Aufstieg hingelegt und kann mit den San Francisco 49ers in den Super Bowl einziehen. Sein Talent wurde zunächst verkannt – auch vom besten Collegetrainer der USA.

Er ist ein ausgewiesener Fachmann, kaum ein Trainer im American Football dürfte einen besseren Blick für Talente haben als Nick Saban. Der 71-Jährige ist der erfolgreichste Collegetrainer in den USA. Mit der Universität von Alabama hat er seit seinem Amtsantritt in Tuscaloosa im Jahr 2007 sechsmal die Collegemeisterschaft gewonnen, 114 Spieler hat er seitdem in die Profiliga NFL gebracht – mehr als jeder andere Coach.

Ein märchenhafter Aufstieg

Vor einigen Jahren stellte sich bei ihm auch ein Teenager namens Brock Purdy im Probetraining vor. Der 1,85 Meter große Quarterback konnte ihn aber nicht überzeugen. „Du bist unterdurchschnittlich groß, deine Wurfkraft ist so lala, deine Wurfgenauigkeit ist Durchschnitt“, lautete Nick Sabans ziemlich vernichtendes Urteil.

Heute ist Brock Purdy 23 Jahre alt, hat einen märchenhaften Aufstieg hingelegt und kann mit den San Francisco 49ers nach dem 19:12-Sieg über die Dallas Cowboys am Sonntag (21 Uhr/Pro Sieben) bei den Philadelphia Eagles in den Super Bowl einziehen.

„Mr. Irrelevant“ des NFL-Drafts 2022

Nick Saban kann sich trösten – er war nicht der Einzige, der das Talent von Brock Purdy verkannt hat. Der Quarterback, der nach der Absage aus Alabama an die Uni von Iowa State ging, wurde beim NFL-Draft 2022 erst in der siebten Runde von den 49ers ausgewählt – als 262. und letztes Collegetalent. Er erhielt somit den Titel „Mr. Irrelevant“, der alljährlich an den Letztgewählten geht.

Doch Brock Purdy ist nicht in der Bedeutungslosigkeit verschwunden – allen Unkenrufen zum Trotz. Erst meisterte er vor der Saison etwas überraschend als Quarterback-Nummer drei den Sprung in den 49ers-Kader. Und als nach Trey Lance dann am 13. Spieltag Anfang Dezember gegen die Miami Dolphins auch noch plötzlich Jimmy Garoppolo verletzt ausfiel, schlug seine Stunde. Er gewann nicht nur diese Partie (33:17), sondern auch alle folgenden Begegnungen. Acht Spiele, acht Siege. Die 49ers haben einen Lauf  – und der unbezwungene Senkrechtstarter Brock Purdy schreibt Woche für Woche das nächste Kapitel in der Aschenputtelgeschichte dieser NFL-Saison.

Erste Vergleiche mit Tom Brady kommen auf

Wenn er, viel schlichter gekleidet als die meisten Mitspieler, mit einem Rucksack auf dem Rücken durch die Stadionkatakomben marschiert, könnte man ihn immer noch für einen Teambetreuer oder Journalisten halten. Auf dem Platz sticht er jedoch heraus. Er ist zwar unterdurchschnittlich groß für die Maßstäbe der Gigantenliga NFL, aber seine Wurfkraft und Wurfgenauigkeit können sich sehen lassen. Sein größter Vorzug ist jedoch seine Coolness – er lässt sich beim Werfen auch unter größtem Druck nicht aus der Ruhe bringen. Es kommen deshalb schon Vergleiche auf mit dem alternden Superstar Tom Brady (45), dessen Talent in jungen Jahren ebenfalls verkannt worden war.

Brock Purdy kommt zupass, dass er in San Francisco stabile Strukturen vorfand. Starke Nebenleute wie Christian McCaffrey, George Kittle oder Deebo Samuel als Anspielstationen machen ihm das Leben einfach. Er muss gar nicht brillieren (auch wenn ihm das oft genug gelungen ist). Es reicht schon, wenn er solide agiert wie gegen die Dallas Cowboys – dann richtet es die beste Defensive der Liga um Nick Bosa und Fred Warner. „Wir sind einfach froh, dass wir gewonnen haben. Es ist Play-off-Football, das ist nie einfach“, sagte Brock Purdy. Er ist auf der ganz großen Bühne angekommen – und Nick Saban wird sich vermutlich verwundert die Augen reiben.