Der Bürgermeister Sczuka hat per Videokonferenz Fragen beantwortet. Foto: Screenshot/Youtube.com

In einem Weiler im Rems-Murr-Kreis sollen mit dem Coronavirus infizierte Asylbewerber untergebracht werden. Eine Infoveranstaltung wird durch ein Hupkonzert gestört – eine konzertierte Aktion.

Althütte - In Zeiten des Corona-Virus ist vieles anders. Infoveranstaltungen, die vor wenigen Monaten noch vor gut gefüllten Sitzreihen in Rathäusern abgehalten worden wären, finden nun online statt. Ansteckungsfrei. So auch am Dienstagabend in Althütte (Rems-Murr-Kreis). Der Bürgermeister Reinhold Sczuka und Thomas Deines vom Regierungspräsidium (RP) Stuttgart standen im Livestream Rede und Antwort.

Der Anlass dieser Premiere: Das RP will im Althüttener Weiler Sechselberg eine Isolierunterkunft für mit dem Coronavirus infizierte Flüchtlinge einrichten. So rasch wie möglich. Als Standort soll ein ausgedientes Freizeitzentrum dienen. Sechselberg hat rund 1000 Einwohner und – Stand Donnerstag – bislang einen Corona-Fall. Die Aufregung über das geplante Zentrum ist unter den Bürgern von Althütte groß, Sczuka hatte daher auf Facebook und auf der Gemeindewebseite zu einer virtuellen Informationsveranstaltung geladen.

Aufruf zur Demo auf Facebook als Frage getarnt

Nach einer guten Viertelstunde wurde der Livestream gestört, vor dem Rathaus ertönte lautes Hupen. Kein Zufall. Denn in einer Backnanger Facebookgruppe hatte am Dienstagmittag eine Sechselbergerin einen als Frage formulierten Demonstrationsaufruf gepostet. „Ich habe mitbekommen, dass heute sehr viele um 18 Uhr mit ihrem Auto nach Althütte zur Volksbank fahren, um dort den Kontostand zu überprüfen, Geld abzuheben, Kontoauszüge zu holen etc. Eventuell wird es Stau geben und sicherlich wird gehupt werden (wegen der Unterbringung der infizierten Flüchtlinge in Sechselberg). Hat da jemand was mitbekommen?“, schrieb die junge Frau.

Die Volksbank war freilich nur ein vorgeschobener Treffpunkt – sie liegt direkt gegenüber des Rathauses. Die Polizei hatte Wind von dem Aufruf bekommen, sie erwartete die Demonstranten schon. „Vor Ort waren sechs Personen, alle mit dem privaten Pkw angereist“, erklärt ein Polizeisprecher tags drauf. Da die Menschen aber gesagt hätten, rein zufällig vor Ort zu sein, habe man ihnen keine Versammlung nachweisen können. „Alle haben sich mit entsprechendem Abstand zueinander dort aufgehalten, aus polizeilicher Sicht kam es zu keinen Verstößen“, so der Sprecher. Daher sei nicht eingeschritten worden.

Bürgermeister von Althütte fühlt sich verleumdet

Die Nachricht vom geplanten Quarantänezentrum hatte in sozialen Netzwerken hohe Wellen geschlagen. Einige Kommentatoren äußerten Verständnis für die Entscheidung, andere kritisierten die Art und Weise, in der das Land die neue Einrichtung verfügt hat. Und wieder andere reagierten mit blankem Fremdenhass. „Mich erreichen seit Freitag unterschiedlichste Sichtweisen. Verständnisvolle, wütende, aber auch persönlich verletzende und verleumdende. Das tut weh“, sagte Reinhold Sczuka. Er selber habe zwar „keinen Jubelschrei ausgestoßen“, als er am 23. März über das Projekt informiert worden sei. Aber rechtliche Schritte gegen das Zentrum schließe er aus: „Wenn jeder so handeln würde, hätten wir ein riesiges Problem in unserer Gesellschaft.“ Wichtig sei allerdings, dass die Sicherheit der Althüttener gewährleistet sei.

Gleich der erste Fragesteller der Infoveranstaltung war ein Fellbacher, der zu Beginn der Flüchtlingswelle rechtsgerichtete Demonstrationen organisiert hatte. „Warum stellen Sie sich nicht schützend vor Ihre Gemeinde?“, sagte er zu Sczuka. Deines warf er dagegen mehrere Mal Inkompetenz vor, weil dieser das Zentrum nicht in einem der bestehenden Erstaufnahmezentren einrichten lasse.

Drohen den Sechselbergern Nachteile oder Anfeindungen?

Das Thema Nummer Eins war für die meisten Fragesteller die Sicherheit. Sie wollen wissen, wie verhindert wird, dass die Flüchtlinge das Quarantänezentrum verlassen, ob eine 24-Stunden-Bewachung inklusive Videokameras gewährleistet sei und ob das Land die Verantwortung übernehme, wenn die Flüchtlinge jemanden anstecken.

Eine Sechselbergerin rechnet zum Beispiel damit, dass durch das Zentrum die Corona-Fallzahl pro Einwohner in Althütte extrem ansteigen würde. Die Sechselberger, so ihre Befürchtung, wären deswegen einem riesigen Medienrummel ausgesetzt – und als Folge davon womöglich Anfeindungen und Nachteilen, zum Beispiel beim Versuch, Arzttermine zu bekommen. Dass es soweit kommt, glaubt Deines nicht: „Ich bin zuversichtlich, dass am Ende die Vernunft siegt. Ich gehe nicht davon aus, dass jemand von Arztterminen ausgeschlossen wird.“